Zwei Monate vor der Bundestagswahl

Auf die Kanzlerin kommt es an

Noch genau zwei Monate und Deutschland wählt sein neues Parlament. Für Michael Rutz ist schon heute klar: Mit Angela Merkel an der Spitze kann sich die CDU eigentlich nur noch selber schlagen. Im domradio-Interview spricht der Chefredakteur des "Rheinischen Merkur" über die Stärken der Bundeskanzlerin und die Schwäche ihres Kontrahenten Frank-Walter Steinmeier.

 (DR)

domradio: Acht Wochen noch, dann wählen die Deutschen ein neues Parlament. Wenn man die aktuellen Umfragen liest, glaubt man, die Wahl ist schon gelaufen. Aber unterschätzt man da nicht die SPD?
Rutz: Man kann acht Wochen vor einer Wahl nie genau sagen, wie sie ausgeht. Wenn man die Demoskopien betrachtet, die gegenwärtig gehandelt werden, muss man daran denken, dass vor vier Jahren die Voraussagen für eine Schwarz-Gelbe Koalition zahlenmäßig noch viel fundierter waren als heute. Und dennoch ist es damals schief gegangenen und hat für die CDU und die FDP nicht funktioniert. Das vorausgeschickt. Aber natürlich muss man sagen: Es ist für die SPD sehr viel schwieriger geworden. Wenn die CDU nicht wie vor vier Jahren der SPD eine Steilvorlage liefert, dürfte es für die SPD schwierig werden. Das hat vor allem einen Grund, der nicht so sehr in der Figur Steinmeier begründet liegt. Das ist ein Problem für sich. Das dahinter liegende Problem ist: Warum soll man eigentlich SPD wählen? Die Frage ist schwer zu beantworten, weil die SPD ein programmatisches Profil hat, das von anderen Parteien längst überdeckt wird. Die SPD wird vom linken Flügel der CDU eingesammelt auf der einen Seite, auf der anderen Seite von der Linken. Die Frage "Was macht das besondere Profil der Sozialdemokraten aus?" ist immer schwieriger zu beantworten. Und das wird jenseits dieser Bundestagswahl ein Zukunftsproblem der SPD sein. Ein existenzielles.

domradio: Frank-Walter Steinmeier hat bei seiner Nominierung zum SPD-Kanzlerkandidaten im Oktober 2008 eigentlich als Hoffnungsträger gegolten. Nun sagt eine aktuelle ZDF-Umfrage, dass 62 Prozent die Amtsinhaberin weiter im Kanzleramt sehen wollen, nur noch 25 Prozent der Wähler wünschen sich Steinmeier als Regierungschef. Warum kann er - zumindest im Moment - immer weniger überzeugen?
Rutz: Ein so guter Außenminister er auch sein mag: Steinmeier ist eine blasse Figur. Wenn man im Wahlkampf auf die Leistungen der Großen Koalition zurückblickt, wird alles der Kanzlerin zugeschrieben, was an positiven Ergebnissen zu vermerken ist. Davon macht Angela Merkel reichlich gebrauch. Sie hat mittlerweile eine präsidiale Figur. Sie kann sagen: Die Krise - das wird schon wieder besser, wir haben sie bewältigt. Wir haben als Bundesregierung das Richtige getan. Dass da immer auch die SPD dabei war, ist dem Beobachter klar, aber der Bürger sagt sich: Die Kanzlerin ist die Chefin, und die hat es so schlecht offensichtlich nicht gemacht. Das alles kommt ihr zugute. Und bei Steinmeier ist von der außenpolitischen Seite her die Profilierung schwer möglich. Es kommt einem irgendwie komisch vor, wenn der Chef-Außenpolitiker sich um Sozialpolitik kümmert und darüber redet. Dafür gibt es andere, das ist kein Feld, auf dem er sich profilieren kann. Ich denke, das wird sein Problem sein.

domradio: Die SPD versucht, bei manchen Themen zu punkten. Zum Beispiel sagt sie bei der Opel-Rettung: Wir haben den Laden nicht insolvent gehen lassen. Wie kann die SPD noch so etwas wie eine Trendwende erreichen?
Rutz: Ein interessanter Punkt, den Sie ansprechen, denn: Die Bevölkerung ist manchmal ein bisschen schlauer als die Politiker. Sie sehen das gerade an den Beliebtheitswerten des Bundeswirtschaftsministers Guttenberg, der sich rigoros auf den Standpunkt gestellt hat: "Ein Unternehmen wie Opel, das seit sieben Jahren Verluste schreibt, soll man nicht mit Staatsgeldern retten. Das sind die Gelder der Menschen, die Steuern zahlen." Dieses Argument "Arbeitsplätze retten" - da wissen die Leute, dass im Grunde damit ein Strukturwandel verhindert wird. Und sie ahnen auch, dass bei diesem Argument eine Haltbarkeit gegeben ist, die bis zu den Bundestagswahlen reicht - und sich danach wieder anders darstellen werden. Alle diese Versprechungen, die jetzt von der SPD gemacht werden, werden am Ende nicht ziehen.

domradio: Während Steinmeier den Wahlkampf einläutet, zeigt sich Bundeskanzlerin Merkel fast schon präsidial bei den Wagner-Festspielen in Bayreuth - welche Art des Wahlkampfes erwarten Sie von der Amtsinhaberin?
Rutz: Der Wahlkampf der CDU ist einfach, so wie er in den 90er Jahren schon mal war: Auf den Kanzler kommt es an. Und so wird mach es auch diesmal machen: Auf die Kanzlerin kommt es an. Bei so hohen Beliebtheitswerten kann man erwarten, dass sie von der Partei nachgezogen werden. Die CDU würde einen Fehler machen, wenn sie versucht, sich inhaltlich an einer Stelle besonders profilieren zu wollen.