Streit um Ex-Stasi-Leute im öffentlichen Dienst - Neue Überprüfung wird skeptisch gesehen

Unzulängliche Aufarbeitung

Eine erneute systematische Überprüfung aller ehemaligen Stasi-Mitarbeiter im öffentlichen Dienst wird in der Politik mit Skepsis gesehen. Mehrere SPD-Politiker lehnten eine neue Regelüberprüfung unter Hinweis auf entsprechende Kontrollen Anfang der 90-er Jahre ab. Der CDU-Innenexperte Wolfgang Bosbach forderte am Freitag eine neue Überprüfung in gehobenen Funktionen des öffentlichen Dienstes. Ex-Bürgerrechtler halten die Aufarbeitung des SED-Unrechts insgesamt für unzulänglich.

Autor/in:
Peter Kosfeld und Nina Jerzy
 (DR)

Bosbach betonte: «Es muss vor allem geklärt werden, ob die Angaben der Bewerber bei der Übernahme in den öffentlichen Dienst wahrheitsgemäß und vollständig gewesen sind. Denn damals war nur ein geringer Teil der Stasi-Akten ausgewertet», argumentierte er. Der SPD-Innenpolitiker Dieter Wiefelspütz sieht keine Veranlassung zu einer neuen Überprüfung oder zu einer Neubewertung. Er gehe davon aus, dass die Mitarbeiter sorgfältig überprüft worden seien. Zudem seien inzwischen viele Jahre vergangen. «Es kann kein lebenslänglich geben», betonte der SPD-Politiker.

Auch der Regierende Berliner Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) verwies darauf, dass der Mauerfall nun bereits 20 Jahre zurückliege. Seitdem seien Zehntausende Mitarbeiter überprüft worden. Zu den Zahlen, die die «Financial Times Deutschland» am Donnerstag genannt hatte, sagte Wowereit, er wisse nicht, wo diese herstammten. Die Zeitung hatte berichtet, dass rund 17 000 Ex-Stasi-Mitarbeiter trotz Prüfungen im öffentlichen Dienst der Landesverwaltungen verblieben seien. Der Historiker Jens Gieseke nannte die Bezeichnung Stasi-Mitarbeiter ungenau und die Zahlen «nicht belastbar». Gieseke hält es für sinnvoll, die jetzigen Positionen ehemaliger hauptamtlicher Stasi-Leute im öffentlichen Dienst nochmals zu überprüfen.

Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD) sagte, Ex-Stasi-Mitarbeiter könnten nur unter bestimmten Voraussetzungen nochmals überprüft werden. Sollten etwa neue, schwerwiegende Tatsachen auftauchen, die verschwiegen worden seien, habe man die Möglichkeit, den Mitarbeiter auch zu entlassen.

Der GdP-Bundesvorsitzende Konrad Freiberg plädierte dafür, in gewisser Weise einen Schlussstrich unter das Thema zu ziehen und betonte, wenn ehemalige Bürokräfte oder Fahrer heute ihre Arbeit gut erledigten, könne ihnen kein Vorwurf mehr gemacht werden.

Der ehemalige DDR-Bürgerrechtler Werner Schulz wandte sich dagegen, die Debatte auf ehemalige Stasi-Mitarbeiter zu verengen. «Es war der letzte Coup der SED, dass sie die Stasi als Schild vor sich gehalten hat. Die Stasi bekam die Dresche ab, die Partei blieb ungeschoren», gab Schulz zu bedenken. Die Staatspartei SED habe in der DDR die Kräfte gestellt, «die das System gestützt haben - bis zuletzt.«

Der frühere DDR-Bürgerrechtler Konrad Weiß bezeichnete den ganzen Sachverhalt als »nichts Neues«. Das Problem bestehe darin, dass Ex-Stasi-Leute inzwischen in verantwortliche Funktionen gekommen seien, wo sie «Einfluss haben und über Menschen etwas bestimmen können«. Bisweilen hätten sie »Zugang zu sensiblen Informationen und Daten«. Weiß betonte: »Das ist nicht hinnehmbar.«