Das ZDF sucht nach Ursachen von Alkoholabstürzen bei Minderjährigen

Bis zum Umfallen trinken

Wenn es um Alkohol geht, scheint es bei manchen Jugendlichen keine Grenzen mehr zu geben. Was die manchmal erst Zwölfjährigen dazu bringt zur Flasche zu greifen, wollte die Dokumentarfilmerin Ulrike Baur wissen. In ihrem Film "Mein Kind im Vollrausch" schildert sie, wie Jonas, Kati und Joana "abstürzten" und in die Klinik eingeliefert werden mussten.

Autor/in:
Monika Herrmann-Schiel
 (DR)

Die Ärzte in den Notaufnahmen der Kinderkliniken müssen sich immer häufiger um Mädchen und Jungen mit schweren Alkoholvergiftungen kümmern. Meist waren es die Freunde, die den Rettungswagen gerufen haben. Im Krankenhaus versuchen die Ärzte, Gesundheitsschäden zu verhindern; manchmal ist es aber auch ein Kampf ums Überleben.

Beobachtungen vor der eigenen Haustür führten dazu, dass sich Ulrike Baur mit diesen Fragen befasste. Immer wieder habe sie in jüngster Zeit exzessive Saufgelage von Schülern beobachtet und mehr über Jugendliche wissen wollen, die sich hemmungslos betrinken. Zunächst nahm sie Kontakt zu den Kliniken auf, die sich beinahe täglich um Kids im Vollrausch kümmern. Dort war man sehr offen für ihr Anliegen. Dagegen war es schwierig, betroffene Jugendliche und deren Eltern für das Filmprojekt zu gewinnen. Denn wer spricht schon gerne darüber, dass das eigene Kind volltrunken war?

Für die erfahrene Kinderärztin Anna, die in der Notaufnahme des Kinderklinikums in München-Schwabing arbeitet, gehört die Behandlung schwer alkoholisierter Kinder und Jugendlicher zum Alltag. Doch dann lieferten die Rettungssanitäter eines Tages ihren eigenen Sohn Jonas ein. "Ich habe als Ärztin funktioniert, ihn versorgt und mir erst später die Frage gestellt, die sich in solchen Fällen wohl alle Eltern stellen: Wie konnte das passieren?", sagt sie in dem Film. Jonas war es peinlich, dass er in diesem Zustand ins Krankenhaus gebracht wurde. 2,5 Promille hatte er nach einer Kneipentour mit Freunden. Er habe auf einen "schönen Pegel kommen wollen", sagt er. Mit einem Zusammenbruch rechnete er nicht.

Apfelkorn, der süß schmeckt wie Saft und "halt da war"
Bei der 15-jährigen Kati aus Rheinfelden begann das Saufgelage früh morgens um 7 Uhr. Für 50 bis 60 Realschüler der 8. und 9. Klassen war am letzten Schultag statt Schulgottesdienst Party angesagt. Später während des Unterrichts fiel Kati aus der Bank, ein Junge musste ins Krankenhaus gebracht werden. Nach der Schule feierte der harte Kern weiter. Am Nachmittag wird Kati in die Lörracher Kinderklinik eingeliefert. Ihre Eltern sind schockiert. Genauso wie die von Joana. Die Zwölfjährige hat am letzten Schultag vor den Ferien eine Party von Freunden besucht. Sie trinkt Apfelkorn, der süß schmeckt wie Saft und "halt da war", wie sie sagt. Als sie nicht mehr ansprechbar ist, rufen ihre Freunde den Rettungswagen. Ihre Mutter ist wütend auf Joana, aber auch auf die Freunde, die ihr die Flasche nicht wegnahmen.

Akribisch recherchiert sie, was an diesem Tag passiert ist. Wie alle Eltern in diesem Film fragen sich auch Joanas Eltern, was sie falsch gemacht haben und wie sie das Geschehen in Zukunft verhindern können. Kati und Jonas werden von speziellen Präventionsprojekten betreut, die es inzwischen gibt. So lädt HaLT ("Hart am Limit") in Lörrach Kati zu einem Risikocheck am Wochenende ein.

In ruhigen Bildern nähert sich Ulrike Baur ihrem Sujet. Ihr Film macht deutlich, dass heute wohl die wenigsten Familien mit halbwüchsigen Kindern vor der Gefahr Alkohol sicher sind. Alle müssen genauer hinsehen, den Jugendlichen mehr Aufmerksamkeit schenken und ihnen klar machen, dass "abstürzen uncool" ist.

Hinweis: "37 Grad: Mein Kind im Vollrausch". Film von Ulrike Baur.
ZDF, Di 9.6., 22.15 - 22.45 Uhr.