Die mediale Auseinandersetzung um "Erwachsen auf Probe"

Erregte Debatte

Am Ende saßen die Kritiker bei Günther Jauch. Die sich an die Pilotfolge der umstrittenen RTL-Dokusoap "Erwachsen auf Probe" anschließende Diskussionsrunde bei "Stern TV" am Mittwochabend bildete den vorläufigen Schlusspunkt der jüngsten Diskussion über Werteverluste im Privatfernsehen, die seit drei Wochen die Gemüter von Kinderschutzverbänden und Medienwächtern erhitzt.

Autor/in:
Alexander Gajic
 (DR)

Ein Streit, bei dem es wohl nicht nur um die Gesundheit von Kindern geht, sondern auch um die Frage, ob das Privatfernsehen wirklich alles machen muss, was es medienrechtlich machen darf.
Insgesamt erschien «Erwachsen auf Probe», ähnlich wie «Big Brother», das vor neun Jahren scharf diskutiert worden war, weder besonders skandalös, noch besonders wertvoll, sondern vor allem überflüssig.

Wenn die Sendung nicht so dramatisch sei, wie RTL es durch die TV-Dramaturgie mit weinenden Babys und überforderten Teenagern suggeriere, welchen Zweck habe sie dann überhaupt, fragte die Vizepräsidentin des Deutschen Kinderschutzbundes (DKSB), Marlis Herterich bei Jauch. Für die von RTL ins Feld geführte «pädagogische Aufarbeitung von Problemfeldern wie Teenagerschwangerschaften» hätten es doch auch fünf Wochen mit Baby-Puppen getan, kritisierte sie.

Ein offizieller Vertreter von RTL fehlte in der Diskussion. Und so stand Moderator Günther Jauch für den Sender ein und fragte, ob man das Thema insgesamt nicht hätte «niedrigerhängen sollen». Dies entsprach der Kommunikationsstrategie des Kölner Privatsenders, der sich bei den Anfeindungen in den vergangenen Wochen stets defensiv und auch ein bisschen beleidigt ob soviel Schimpf gezeigt hatte.

«Dann überlassen vier Familien aus ganz Deutschland für vier Tage den Teenagern das Schönste, was sie besitzen: ihre Babys», hatte RTL seine neue Sendung Anfang Mai angekündigt und damit den Kinderschutzbund auf den Plan gerufen. Der Verband zeigte sich «entsetzt» und befürchtete «Bindungsstörungen» bei den betroffenen Säuglingen. Zwei gerichtliche Anträge, die die Ausstrahlung der Sendung verhindern sollten, scheiterten jedoch in letzter Minute

Kalt ließ die Kritik RTL jedoch nicht, zumal mehrere Politiker und Verbände trotz eines positiven Gutachtens der Freiwilligen Selbstkontrolle Fernsehen die Kritik des Kinderschutzbundes teilten. Eine daraufhin von RTL veranstaltete Vorab-Vorführung von «Erwachsen auf Probe» besänftigte die anwesenden Kritiker aber nur bedingt.

Als «pädagogisch wertvoll», um Teenagern in Deutschland die Mühen einer frühen Schwangerschaft vorzuführen, lobte RTL-Unterhaltungschef Tom Sänger die Sendung bei dem Termin in Köln. Betont wurde auch, dass die leiblichen Eltern während der Aufnahmen viel häufiger zugegen waren als ursprünglich angedeutet. Dass den Kritikern von «Erwachsen auf Probe» nicht bewusst war, dass es zum Alltag von Fernsehmachern gehört, an sich Belangloses mit dramaturgischen Tricks zum Ereignis aufzuputschen, davon wurde RTL offenbar kalt überrascht.

Trotz hoher medialer Aufmerksamkeit war «Erwachen auf Probe» am Ende nur ein mäßiger Erfolg. Mit einem Marktanteil von 19,1 Prozent war die Sendung am Mittwochabend zwar Primetime-Tagessieger in der Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen. Die Zuschauerzahlen beim Gesamtpublikum blieben aber mit 3,03 Millionen unter denen vergleichbarer Formate. Ob man für so vorhersehbare Strukturen und Dramaturgien wirklich Babys von ihren Müttern hätte trennen müssen, bleibt weiter fraglich.