Patientenverfügung: Streit um Vorgehen - Abstimmung Mitte Juni?

Wer hat Schuld?

Der Bundestag hat überraschend die für diesen Donnerstag geplante Abstimmung über ein Gesetz für Patientenverfügungen verschoben und wird darüber frühestens Mitte Juni entscheiden. Hintergrund ist ein Streit um Verfahrensfragen. Nach der Vertagung gab es quer durch die Fraktionen Streit über die Verantwortung für das Scheitern.

 (DR)

Im Kreis der Parlamentarischen Geschäftsführer hatte die SPD-Seite am Dienstagmorgen die Absetzung von der Tagesordnung am Donnerstag beantragt, wie Unions-Geschäftsführer Norbert Röttgen (CDU) berichtete. Ärzteverbände erklärten, ein Gesetz sei nicht erforderlich. Andere Organisationen warnten vor einem Scheitern der Bemühungen.

Dem Parlament liegen drei Gesetzentwürfe vor, die zwar fraktionsübergreifend sind, überwiegend aber doch Schwerpunkte in einzelnen Fraktion haben. Ende voriger Woche scheiterten die Bemühungen der drei Gruppensprecher Wolfgang Bosbach (CDU), Joachim Stünker (SPD) und Wolfgang Zöller (CSU), sich auf den konkreten Ablauf der Abstimmung am Donnerstag zu verständigen.

Hintergrund ist, dass dem Gesetzentwurf die besten Chancen zugerechnet werden, der als letztes zur Abstimmung kommt. Der Stünker-Entwurf wurde zeitlich als erster ins Parlament eingebracht, hat mit gut 200 die meisten Unterstützer und gilt vielen als weitest gehender Entwurf. Bei vergleichbaren Entscheidungen der vergangenen Jahre, so zur Stammzellforschung oder zur Spätabtreibung, wäre er damit als erster zur Abstimmung gekommen.

Stünker, der das verhindern will, sagte der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA), er rechne mit einer Bundestagsentscheidung Mitte Juni. Falls es bis dahin keine Einigung über den konkreten Verlauf der Entscheidung gebe, wolle er eine Geschäftsordnungsdebatte im Plenum. Das ist - zumal bei einem emotionsgeladenen Thema - ungewöhnlich. Der SPD-Politiker betonte, angesichts des Kurses der Unionsvertreter sei er «von Stunde zu Stunde zuversichtlicher», dass das Parlament seinem Konzept zustimmen werde. Unter Sozialdemokraten herrsche «Empörung» über den Kurs der Union.

Nach Einschätzung Röttgens ist derzeit offen, ob es in den beiden letzten noch ausstehenden Sitzungswochen zu einer Entscheidung komme. Er sprach von «beachtlicher Desorientierung» in den Fraktionen. Er warnte davor, eine gesetzliche Regelung noch in dieser Legislaturperiode «mit der Brechstange» durchzusetzen. Nach Angaben des Unionspolitikers drängte die SPD-Seite darauf, bei der für Donnerstag geplanten Entscheidung den üblichen Abstimmungsmodus zu ändern, um dem von ihr favorisierten Entwurf Vorteile zu verschaffen.

Der Marburger Bund nannte angesichts der Kontroverse eine Neuregelung für Patientenverfügung erneut verzichtbar. Auch ohne ein neues Gesetz sei das informierte Einverständnis der Patienten Voraussetzung für jeden ärztlichen Eingriff. Die Deutsche Hospiz Stiftung sprach dagegen von einem «unentschuldbaren Trauerspiel», falls das Parlament eine Entscheidung in die nächste Legislaturperiode vertagen würde.

Die «Christdemokraten für das Leben» (CDL) begrüßten dagegen, dass das Thema nun verschoben wurde. Der Stünker-Entwurf öffne «einer neuen lebensgefährlichen Fremdbestimmung Tür und Tor».