Im pakistanischen Swat-Tal geraten auch Christen zwischen die Fronten

Zwischen Armee und Taliban

Die Gewalt im Nordwesten Pakistans ist am Wochenende weiter eskaliert. Im umkämpften Swat-Tal wurden nach Angaben der Regierungstruppen seit Beginn der Armeeoffensive Ende April mehr als 1.000 Extremisten getötet worden. Nahezu eine Million Menschen flohen aus dem Gebiet. Besonders Christen fühlen sich im Schatten des Krieges gegen die Taliban zunehmend bedroht. Hilfsorganisationen und die Vereinten Nationen rufen zu Spenden auf.

Autor/in:
Agnes Tandler
 (DR)

Die leuchtend blaue Schrift an der Kirchenmauer ist übermalt, doch die bedrohlichen Worte sind noch gut zu lesen: «Lang leben die Taliban!» Vor gut drei Wochen überfielen bewaffnete Männer die Gemeinde in Taiser Town, einem Armenvorort der Hafenstadt Karatschi im Süden Pakistans. Obwohl die rund 3.000 Christen in Karatschi gut tausend Kilometer von den Kämpfen im Swat-Tal im Nordwesten entfernt sind, wächst ihre Angst vor den Extremisten.

Mit dem Erstarken der radikal-islamischen Taliban nehmen die Sorgen der religiösen Minderheiten um ihre Sicherheit zu. Pakistan ist eine islamische Republik, 95 Prozent der 160 Millionen Einwohner sind Muslime.

In Taiser Town wurden Einwohner von den Angreifern terrorisiert und misshandelt. Sechs Häuser brannten nieder. Drei Menschen wurden verletzt, ein zehnjähriger Junge starb an einer Schussverletzung. Die Polizei schritt nicht ein. Erst als paramilitärische Truppen in die Siedlung beordert wurden, beruhigte sich die Lage wieder.

«Die Taliban haben die Christen angegriffen, weil sie die Hass-Schmierereien von der Kirchenmauer abwischen wollten», sagt Emmanuel Yousaf Mani, der die Nationale Kommission für Gerechtigkeit und Frieden leitet. Der Vorsitzende der katholischen Menschenrechtsorganisation besichtigte den Tatort kurz nach dem Angriff. Mani ist überzeugt, dass die für den Überfall verantwortlichen Taliban ethnische Paschtunen sind, die in der Nachbarschaft der christlichen Siedlung leben.

Waren in der Finanzmetropole Karatschi wirklich dieselben Taliban am Werk, die von der pakistanischen Armee im Swat-Tal im äußersten Nordwesten des Landes bekämpft werden? Manche Christen machen auch die mächtige Immobilien-Mafia in Karatschi für den Überfall verantwortlich. Andere denken, dass die Angreifer das friedliche Zusammenleben in der Millionen-Metropole stören wollten, um die Regierung der Provinz zu destabilisieren.

Doch die Kirchenvertreter sind sich in einem sicher: Seit die Taliban in Pakistan an Boden gewinnen, häufen sich die gewaltsamen Angriffe auf religiöse Minderheiten. Nicht immer stecken die Taliban hinter den Anschlägen, auch andere Extremisten lassen sich von den militanten Kämpfern inspirieren und operieren unter diesem Namen.

Der Nationale Kirchenrat Pakistans warnte in einem offenen Brief davor, dass sich das Klima für die kleinen Glaubensgemeinschaften verschlechtert. Die Gewalt gegen Hindus, Sikhs und Christen nehme zu. Die Christen stellen mit etwa drei Prozent die größte Minderheit in Pakistan.

Der Kirchenrat beklagt, islamische Fundamentalisten hätten im Swat-Tal antike Buddha-Statuen zerstört sowie christliche Schulen und eine Kirchen in Schutt und Asche gelegt. Auch in anderen Teilen der Nordwestprovinz würden christliche Einrichtungen bedroht und angegriffen.

Selbst weit im Süden in Karatschi fühlen sich die Christen von Taiser Town bedrängt. Ihre Siedlung, die früher einmal im Zentrum der Stadt lag, wurde vor ein paar Jahren an den Stadtrand verlegt. Doch die Umsiedler kommen auch dort unter Druck. Denn Karatschi erlebt eine massive Zuwanderung. Aus dem Grenzgebiet zu Afghanistan kommen immer mehr Flüchtlinge, die illegal Land besetzen und darauf Unterkünfte bauen, weil sie sonst nirgendwo unterkommen können.

Die Mehrheit der Flüchtlinge und Vertriebenen sind Paschtunen, die auch in Afghanistan eine wichtige Volksgruppe darstellen, und oft nicht einmal die offizielle pakistanische Landessprache Urdu beherrschen. Karatschi wird schon seit längerem immer wieder von ethischen Spannungen und gewaltsamen Ausschreitungen erschüttert. Dieses Schicksal droht auch anderen Städten in Pakistan, wenn der Flüchtlingsstrom aus dem Nordwesten anhält. Dann könnte das Leben auch für Christen in Islamabad und Lahore unsicherer werden.