Obama mahnt gegenseitigen Respekt in der Abtreibungsfrage an

Toleranz auch bei unvereinbaren Meinungen

US-Präsident Barack Obama hat sich in seiner im Vorfeld lange umstrittenen Rede an der katholischen Universität Notre Dame ausführlich der Debatte um Abtreibung gewidmet. Der Kampf um richtige Prinzipien werde nirgends stärker geführt als in der Abtreibungsfrage, sagte er bei der Abschlussfeier der traditionsreichen Lehrstätte in South Bend im Bundesstaat Indiana. Um den Auftritt hatte es wochenlangen Streit gegeben.

Autor/in:
Ronald Gerste
 (DR)

«Die Ansichten beider Lager sind unvereinbar», so der US-Präsident, der gegen eine Verschärfung der im internationalen Vergleich liberalen Abtreibungsgesetze eintritt. In eindringlichen Worten rief er jedoch dazu auf, den Respekt voreinander zu wahren. Es sei möglich, die eigene Position zu vertreten, ohne die andere Seite herabzuwürdigen.

Er selbst sei während seines Wahlkampfes durch den Brief eines Abtreibungsgegners und Arztes dafür sensibilisiert worden, dass man Menschen, die Frauen die Entscheidung gegen ein Kind verbieten wollen, nicht leichtfertig als «rechte Ideologen» diffamieren dürfe. «Lasst uns das Gewissen jener würdigen, die gegen Abtreibung sind», sagte der Präsident laut Presse vor rund 12.000 Studenten, Lehrkräften und Angehörigen.

Obamas liberale Haltung zu Schwangerschaftsabbrüchen hatte unter US-Katholiken einen heftigen Streit um die Einladung und Verleihung der Ehrendoktorwürde an den Präsidenten ausgelöst. Mehr als 360.000 Personen unterzeichneten eine Petition dagegen; rund 70 Bischöfe bekundeten ihre Ablehnung, darunter auch der Vorsitzende der US-Bischofskonferenz, Kardinal Francis George. Förderer der Universität stellten ihre finanzielle Unterstützung ein und forderten den Rücktritt von Rektor John Jenkins. Die Mehrheit der Studenten begrüßte hingegen den Auftritt Obamas.

Vor dessen Rede hatte Jenkins laut Bericht die Einladung Obamas gerechtfertigt. Er forderte, unterschiedliche Haltungen anzuerkennen. «Wir sind angetrieben durch unseren Glauben, aber wir können nicht nur an den Glauben appellieren. Wir müssen uns auch in einem Dialog engagieren, der an eine Vernunft appelliert, die alle akzeptieren können».

Obama, gekleidet in eine blaue Universitätsrobe von Notre Dame, plädierte in seiner Rede dafür, die Zahl der Abtreibungen zu reduzieren «durch die Vermeidung ungewollter Schwangerschaften, durch die Vereinfachung von Adoptionen, durch mehr Unterstützung für Frauen, die ein Kind austragen». Er ermutigte die Studenten, in ihrem Glauben fest zu bleiben und die Werte, nach denen sie erzogen worden seien, zu bewahren. «Stehen sie wie ein Leuchtturm», rief ihnen Obama zu.

Obamas Rede wurde kurz durch einzelne Demonstranten im Publikum gestört, die «Abtreibung ist Mord» und «Stoppt die Tötung von Babies» skandierten. Den Berichten zufolge wurden sie von Polizisten zügig aus dem Saal gebracht, während die Menge mit dem Obama-Slogan «Yes we can» und «Wir sind Notre Dame» antwortete. Zudem protestierten im Auditorium rund 100 Studenten mit gelben Kreuzen, auf denen kleine Fußabdrücke zu sehen waren, still gegen Obamas Abtreibungspolitik. Als sich das Publikum zur Verleihung der Ehrendoktorwürde an den Präsidenten erhob, blieben sie laut Bericht demonstrativ sitzen.