Der Streit vor Obamas Besuch an katholischer Uni geht weiter

Campus als ideologisches Schlachtfeld

Die katholische Notre Dame-Universität in South Bend im US-Bundesstaat Indiana ist zu einem ideologischen Schlachtfeld geworden. Der für Sonntag angekündigte Besuch des Präsidenten ist für Abtreibungsgegner Anlass, auf ihr Anliegen aufmerksam zu machen. Obama soll vor den mehr als 2.000 Absolventen des Jahrgangs '09 die Festrede halten und selbst die Ehrendoktorwürde erhalten - und das, obwohl seine Abtreibungspolitik nicht mit der Lehre der katholischen Kirche übereinstimmt.

Autor/in:
Ronald Gerste
 (DR)

Ein schöner Frühsommertag auf einem klassischen amerikanischen Universitätscampus: Studenten flanieren lachend zwischen efeuüberwachsenen Fakultätsgebäuden, andere liegen in der Mittagspause auf der großzügigen Rasenfläche der Alma Mater. Diejenigen, die in den blauen Himmel blicken, sehen etwas, was kaum zur akademischen Idylle passt: Ein Flugzeug zieht in niedriger Höhe seine Runden. Es zieht ein Banner hinter sich her, auf dem Bilder eines zerstückelten menschlichen Fötus zu sehen sind. In großen, im Flugwind flatternden Lettern ist die Erklärung für das grausige Bild zu lesen: «Abtreibung mit 10 Wochen». Doch auch andere Plakate sind im Umfeld des Campus zu sehen: «Willkommen Präsident Obama».

Der Hardliner Randall Terry, der seit Wochen Proteste rund um den Campus organisiert, verstieg sich etwa zu der geschmacklosen Bemerkung, man werde Obama «mit dem Blut der Babies teeren». Bei zahlreichen Studenten der katholischen Universität stoßen solche Aktionen auf Skepsis, selbst wenn man «pro life» ist.

Der Demokrat im Weißen Haus steht, wie weithin bekannt, für die Aufrechterhaltung des die Abtreibung regelnden Roe-gegen-Wade-Urteils des Obersten Gerichtshofes von 1973, was in der Praxis eine weitgehende Straffreiheit der Abtreibung bedeutet.
Außerdem befürwortet Obama die Stammzellforschung.

Damit steht der Präsident im Widerspruch zur Lehrmeinung der katholischen Kirche. Bislang sollen sich laut «Washington Post» mindestens 74 US-amerikanische Bischöfe gegen den Besuch Obamas an der katholischen Universität erklärt haben. Deren Rektor John I. Jenkins wurde für die Einladung scharf kritisiert. Kardinal Francis George, der Vorsitzende der US-Bischofskonferenz, bezeichnete die Einladung an Obama als «äußerste Peinlichkeit für viele, viele Katholiken». Der Bischof von Fort Wayne-South Bend, John D'Arcy, will die Zeremonie boykottieren.

Für Abtreibungsgegner ist Obamas Besuch an der Universität eine Gelegenheit, mediale Aufmerksamkeit zu erlangen - die blieb ihnen zuletzt oft versagt. Die Anti-Abtreibungsbewegung in den USA wird von politischen Beobachtern als zersplittert und führungslos bezeichnet. Auch für viele Katholiken, die im November mehrheitlich Obama wählten, steht das Abtreibungsproblem auf der politischen Agenda nicht so weit oben wie Wirtschaftskrise oder die Kriege im Irak und in Afghanistan.

Für die Universität könnte der Streit harte finanzielle Einbußen bringen. Jüngst behauptete die Initiative «Replace Jenkins» («Löst Jenkins ab») aus Gönnern und ehemaligen Absolventen, sie habe inzwischen die Überweisung von umgerechnet rund zehn Millionen Euro Spendengeldern an die Universität verhindert. Das Geld werde zurückgehalten, bis Jenkins durch einen Direktor ersetzt sei, der die katholische Lehre klarer vertrete.

Viele der jetzigen Studenten stehen den Protesten dagegen sehr reserviert gegenüber. Die Mehrheit - so berichten amerikanische Medien - fühlt sich geehrt, dass der Präsident zur Feier kommt. Für die Absolventen verspricht es ein unvergessliches Ereignis zu werden.

Wie immer Obamas Besuch ablaufen wird - die First Lady hat es besser. Sie besucht aus dem gleichen Anlass, der alljährlichen Abschlussfeier, die im Vergleich zu Notre Dame weit weniger renommierte Filiale des University of California-Verbundes in der Kleinstadt Merced. Dort, in einem von der Rezession hart gebeutelten Ort von 76.000 Einwohnern, löst die Aussicht, durch Michelle Obamas Rede national zumindest für einen Tag ein bisschen bekann zu werden, eine durch keinerlei Proteste getrübte Euphorie aus.