Vor 60 Jahren legten die ersten Brüder in Taizé Gelübde ab

Bleibender Frühling

Frère Daniel ist ein Stück lebendige Zeitgeschichte der Taizé-Gemeinschaft, die aus einem kleinen Dorf in den Hügeln von Burgund in Ostfrankreich in die ganze Welt hineinwirkt. Der 88-Jährige, der auch heutzutage noch täglich an der Töpferscheibe arbeitet, ist der letzte aus dem Kreis derer, die vor 60 Jahren - am 17. April 1949 - als erste Gelübde ablegten und damit der berühmten Gemeinschaft von Taizé eine konkrete Form gaben.

 (DR)

Dieses Dorf Taizé, in das der junge reformierte Theologe Roger Schutz 1940 zum ersten Mal kam, ist heutzutage einer der wichtigen Orte des Christentums. Papst Johannes XXIII. sprach von dem Ort als «Taizé, dieser kleine Frühling!» Jahr für Jahr zieht er Hunderttausende junger Menschen in seinen Bann. Viele Jugendliche aus ganz Europa, häufig aus dem Osten des Kontinents, kommen in die Zeltstadt rund um den markanten Kirchenbau. Vor 60 Jahren beteten die ersten jungen Männer, die sich von Frere Roger begeistern ließen, in der romanischen Kirche des Ortes. Dem alten Gotteshaus, vor dem Frere Roger nach seinem Tod 2005 seine selten ruhige letzte Ruhestätte gefunden hat. Erst viele Jahre später wurde aus dem verlassenen Flecken Taize ein geistliches Zentrum mit internationaler Ausstrahlung.

1940 war der aus der Schweiz stammende Theologe Roger Schutz in das damals noch tiefverschlafene Nest mit kaum 50 Einwohnern gekommen. Fortan half er Flüchtlingen. 1942 musste er wegen der politischen Lage zurück nach Genf. Aber 1944 gründete er mit dann Studienfreunden eine Gemeinschaft, die sich der Aussöhnung der getrennten Kirchen, der europäischen Verständigung und einem einfachen Lebensstil verschrieb.

Die Feier 1949 fand ohne große Öffentlichkeit statt, und noch ohne strikte Vorgabe durch eine Ordensregel. Erst vier Jahre später legte Frere Roger, 1915 in der Schweiz geboren, den Text der Regel fest. So versprechen die Brüder von Taizé, ganz wie es der Tradition katholischer Orden entspricht, Armut, Ehelosigkeit und Gehorsam.

Für die sieben war das ein bemerkenswerter Schritt. Denn sie kamen aus protestantischen Kirchen - eine Bindung auf Lebenszeit war ihnen eigentlich fremd. Wie ungewöhnlich damals die Wanderung zwischen den konfessionell getrennten Welten war, lässt sich daran sehen, dass die Gemeinschaft von Taizé damals auch von der Reformierten Kirche Frankreichs nicht anerkannt wurde.

Die Anlehnung an katholische Ordens-Traditionen trug aber zugleich zum hohen Respekt der Gemeinschaft auf katholischer Seite bei - bis heute gibt es regelmäßige Audienzen der Päpste für den Prior der Gemeinschaft. Da hält es Benedikt XVI. mit Frère Alois, der 2005 auf Frere Roger folgte, wie Johannes Paul II. zuvor mit dem Gründer der Gemeinschaft. Seit 1969 leben mit offizieller Erlaubnis des Erzbischofs von Paris auch katholische Brüder rund um die 1962 fertig gestellte «Kirche der Versöhnung». Die Katholiken stellen heute gut ein Drittel der rund 100 Brüder.

Frère Alois setzt die Kontakte fort, die sein Vorgänger pflegte. Ende März empfing ihn Papst Benedikt XVI. zum wiederholten Male in Audienz. Der Prior besuchte die orthodoxen Patriarchen in Istanbul und Moskau. Und die Gemeinschaft verstärkte neben den Europäischen Jugendtreffen wieder ihr Engagement in Asien und Afrika. «Wo immer wir uns befinden, überlegen wir allein oder zu mehreren, was wir ausrichten können, wo Not und Elend herrschen», schrieb Frère Alois nach einem großen Treffen in Nairobi im Herbst 2008 in einem «Brief aus Kenia». «So werden wir die Gegenwart Christi sogar an Orten entdecken, wo wir sie nicht erwartet hätten.»

Bis heute hält die Gemeinschaft am Ritus fest, den die Regel von Taizé vorgibt. «Geliebter Bruder, wonach verlangst du?», fragt der Prior der Brüdergemeinschaft den Kandidaten. «Nach der Barmherzigkeit Gottes und der Gemeinschaft meiner Brüder», lautet die Antwort des Bewerbers.