In Indien hat die größte demokratische Wahl der Welt begonnen - überschattet von Anschlägen

"Bei diesen Wahlen ist alles ungewiss"

Überschattet von blutigen Anschlägen haben in Indien die Parlamentswahlen begonnen. In mehreren Bundesstaaten waren am Donnerstag 143 Millionen Menschen aufgerufen, 124 Abgeordnete für das Nationalparlament zu wählen. Bis 13. Mai werden die anderen Landesteile folgen. Am ersten Wahltag starben mindestens 16 Menschen bei Angriffen von Maoisten. Die meisten Opfer waren Sicherheitskräfte. Im domradio-Interview betont Dr. Clemens Spiess vom Heidelberger Südasien-Institut dennoch die große Leistung Indiens, freie und faire Wahlen zu garantieren.

 (DR)

Er habe dabei keine Befürchtung, dass Wahlergebnisse manipuliert würden, so Spiess. Seine Prognose für den Wahlausgang: Kein eindeutiger Sieger. Dabei geht der Wissenschaftler davon aus, dass der Wahlgewinner sich mit diversen Regionalparteien zusammenschließen muss, um überhaupt regieren zu können. Indien habe sich bisher als widerstandsfähige Demokratie erwiesen, darum habe er auch keine Befürchtungen für das zufünftige Funktionieren einer multikulturellen und multireligiösen Einheit Indiens.

15. Wahlen seit der Unabhängigkeit
Zur Wahl treten mehr als 200 Parteien und viele unabhängige Kandidaten an. Darunter sind auch Film- und Sportstars, eine Tänzerin, der Besitzer einer Fluggesellschaft und ein früherer UN-Diplomat. Am 16. Mai sollen die Stimmen aus den über 800.000 Wahllokalen ausgezählt und das Ergebnis verkündet werden. Es sind die 15. Parlamentswahlen seit der Unabhängigkeit des Landes von Großbritannien 1947.

Favoriten sind die beiden großen Parteien, die linke Kongresspartei und die hindunationalistische Partei Bharatiya Janata (BJP). In den vergangenen fünf Jahren hat die von der Gandhi-Nehru-Familie geprägte Kongresspartei mit einer Minderheitsregierung aus zahlreichen Koalitionspartnern das Land geführt. Der 76-jährige Premierminister Manmohan Singh tritt wieder als Spitzenkandidat an.

Die oppositionelle BJP schickt den 81-jährigen Lal Krishna Advani ins Rennen. Beide Spitzenkandidaten konnten sich bislang nicht als zugkräftige Persönlichkeiten auf nationaler Ebene präsentieren. Regionale Parteien verzeichnen Zulauf.

Nach einem schwachen Wahlkampf wird erwartet, dass keine große Partei eine klare Mehrheit erringen kann. Die künftige Regierung könnte daher vermutlich erneut eine komplizierte Allianz von Kongress oder BJP mit kleinen Parteien sein, die keine volle fünf Jahre übersteht.

Mit Spannung wird erwartet, wie Kumari Mayawati, eine Politikerin aus der früheren Kaste der Unberührbaren, abschneidet. Ihre Partei regiert den bevölkerungsreichsten Bundesstaat Uttar Pradesh im Norden. Mayawati hat dem Kongress dort seine Stammwählerschaft unter den Kastenlosen und Muslimen streitig gemacht. Von den über 1,1 Milliarden Menschen in Indien sind rund 170 Millionen Kastenlose.

Die Gesellschaft für bedrohte Völker kritisiert, dass 20.000 Christen im Bundesstaat Orissa nicht wählen können, weil sie wegen Ausschreitungen immer noch nicht in ihre Dörfer zurückkehren konnten.Während Wahlen kann es in Indien auch immer wieder zu Aufständen und spontaner Gewalt kommen. Nach dem Terroranschlag in der Finanzmetropole Mumbai (Bombay) im November 2008 wurden die Sicherheitsvorkehrungen zur Wahl verstärkt. Etwa zwei Millionen Polizisten sind im Einsatz. Ein Kricket-Tunier wurde nach Südafrika verlegt, um genug Sicherheitskräfte für die Wahl zur Verfügung zu haben.