Nooke verurteilt neues Ehegesetz in Afghanistan

Rückschritt in dunkle Zeiten

Der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Günther Nooke (CDU), hat das neue afghanische Ehegesetz scharf kritisiert, das die Rechte von Frauen massiv einschränkt. "Die afghanische Regierung bricht mit dem Gesetz Versprechungen über die Einhaltung von Menschenrechten, die sie der internationalen Staatengemeinschaft gemacht hat", sagte Nooke dem Nachrichtenportal "Spiegel Online" am Samstag.

 (DR)

Die westliche Welt zeigte sich in dieser Woche geschockt, als bekannt wurde, dass der afghanische Präsident Hamid Karsai in aller Stille und ohne Parlamentsbeschluss ein Gesetz erlassen hat, das ähnliche Anzeichen aufweist, die von den Taliban in Pakistan bereits in die Tat umgesetzt wurden. Karsai schränkte die in Afghanistan mühsam errungenen Frauenrechte wieder ein und verschaffte den Männern fast unumschränkte Herrschaftsrechte. Laut Artikel 132 des neuen Gesetzes zur Regelung des Familienlebens unter den Schiiten in Afghanistan heißt es: «Solange der Mann nicht auf Reisen ist, hat er jede vierte Nacht das Recht auf Geschlechtsverkehr mit seiner Frau.» Sie sei verpflichtet, den sexuellen Bedürfnissen ihres Mannes jederzeit nachzukommen.

Die Schiiten stellen 20 Prozent der afghanischen Bevölkerung. Der UN-Entwicklungsfonds für Frauen wirft Karsai vor, «die Vergewaltigung einer Frau durch ihren Ehemann zu legalisieren». Politische Beobachter in Kabul vertreten die Meinung, Karsai wolle mit diesem Vorgehen «Stimmung für seine infrage stehende Wiederwahl zum Präsidenten machen». Er wolle bei den schiitischen Männern sein Image aufpolieren. NATO-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer prangerte das Gesetz von Karsai an. Es verletze die Menschenrechte fundamental.

Karsai wurde von den Taliban für das Gesetz «hoch gelobt». Schiitische Frauen dürfen nicht ohne Erlaubnis des Ehemannes arbeiten oder Bildungseinrichtungen besuchen. Die Verheiratung von neunjährigen Mädchen wird erlaubt. Ein Sprecher Karsais sagte zu den schweren Vorwürfen aus aller Welt, der Präsident wolle «sich die Sache noch mal anschauen».

Neo-Taliban bereiten Großoffensive vor
Die Neo-Taliban bereiten nach Beobachtungen westlicher Geheimdienste in Afghanistan eine Großoffensive gegen die ISAF-Truppen vor. Bei den Neo-Taliban handele es sich um eine neue Generation von islamistischen Kämpfern aus Afghanistan und aus Pakistan, die mit neuen Kampfmethoden am Hindukusch Chaos hervorrufen wollen, erläuterte ein Experte des US-Auslandsgeheimdienstes CIA der Nachrichtenagentur ddp am Wochenende in der afghanischen Hauptstadt Kabul. Einer der ranghöchsten deutschen Soldaten bei der NATO, General Karl-Heinz Lather, wies darauf hin, dass sich die ISAF-Soldaten auf schwere Angriffe der Taliban- und Al-Qaida-Kämpfer vorbereiten müssen.

Nach den Erkenntnissen der Geheimdienstler hat sich die Gruppe der Neo-Taliban Anfang des Jahres gebildet. Der Chef der Taliban in Afghanistan, Mullah Omar, habe sich mit den wichtigsten Anführern der Taliban in Pakistan, Baitullah Mehsud, Haifis Gul Bahadur und Maulavi Nasi zusammengetan. Sie hätten ein «Council of United Mujahedeen», einen Rat der Vereinigten Mudschahidin, gegründet und wollten jetzt gemeinsam gegen die ISAF-Truppen vorgehen. Die «asymmetrische» Kriegsführung solle sich jetzt vor allem auf «weiche Ziele», auf die Ermordung oder Entführung von Politikern, von Verwaltungsbeamten und auf noch stärkere Selbstmordattentate wie im Irak konzentrieren, berichtete ein CIA-Agent. Mit «möglichst viel Chaos» solle ein Umschwung in Afghanistan herbeigeführt werden.

Die Taliban wollen nach Einschätzung der Geheimdienste in Afghanistan ähnliche Erfolge wie in Pakistan mit der Errichtung eines eigenen Herrschaftsgebietes auf pakistanischem Boden erzielen. Die schwache pakistanische Regierung unter Staatschef Asif Ali Zardiri hatte nach monatelangen Auseinandersetzungen den radikal-islamischen Taliban zu Beginn dieses Jahres offiziell die Macht über das von ihnen besetzte weiträumige Swat-Tal in der Nordwestregion Pakistans überlassen. In dem Tal mit seinen fast zwei Millionen Einwohnern haben die Taliban eine «Steinzeit-Herrschaft» errichtet, wie sie in Afghanistan von 1996 bis 2001 bestand. Die westliche Welt wertete diese Entwicklung als eine Kapitulationserklärung vor den Gotteskriegern.

Am 15. März hatten sieben Scharia-Richter, sogenannte Kadis, die Arbeit im Swat-Tal aufgenommen. Die Einwohner leben seither unter der Herrschaft der Scharia. Das islamische Gesetz schreibt religiöse und soziale Verhaltensregeln vor und zeichnet sich durch ganz besondere Härte aus. Auf der Scharia basiert auch das islamische Strafrecht. Bei Diebstahl kann beispielsweise die Hand abgehackt werden. Ehebruch wird mit Steinigung bestraft. Die Taliban haben im Swat-Tal schon alle Mädchenschulen niedergebrannt. Frauen habe keine Rechte mehr. Fernsehen ist verboten. Frauen dürfen nur in Begleitung des Mannes das Haus verlassen. Alle Gesetze, die im Gegensatz zum Propheten Mohammed stehen, sind null und nichtig.