Unesco-Weltkonferenz in Bonn zu Bildung für nachhaltige Entwicklung

Bildung als Waffe gegen Armut

In Bonn diskutieren derzeit Regierungsvertreter und Experten aus 150 Ländern über Schwerpunkte internationaler Bildungspolitik. Die Konferenz der Unesco sucht Wege zu einer Bildung für nachhaltige Entwicklung. Dieter Offenheußer ist stellvertretender Generalsekretär der Deutschen Unesco. Er beschreibt im domradio-Interview erste Erfolge und nötige weitere Schritte.

 (DR)

domradio: Das Jahr 2009 markiert die Halbzeit der UN-Dekade "Bildung für nachhaltige Entwicklung". Die UN-Mitgliedstaaten haben sich verpflichtet, in dieser Dekade besonders intensiv das Leitbild der zukunftsfähigen Entwicklung in Kindergarten, Schulen und Universitäten zu verankern. Die Konferenz zieht in Bonn gerade eine Zwischenbilanz, wie sieht die aus?
Offenheußer: Wie die Zwischenbilanz aussieht, weiß man erst nach der Konferenz. Sie wird aber sehr unterschiedlich sein, je nach Weltregion. Hier in Deutschland hat diese Dekade nach anfänglich schwierigem Start einen durchschlagenden Erfolg. Wir haben hier in Deutschland mittlerweile über 800 Projekte, die als offizielle UN-Dekaden-Projekte ausgezeichnet wurden. Daran zeigt sich: Die Idee der Nachhaltigkeit hat sich durchgesetzt, im Sinne von Zukunftsfähigkeit.

Tausende weitere Initiativen und Institutionen verpflichten sich diesem Thema, auch wenn sie es nicht unter dem Begriff der Nachhaltigkeit verstehen- auf der Schuleebene, Ministerialebene oder Universitäten. Auch Einzelinitiativen steuern auf das Ziel der Nachhaltigkeit hin. Vor kurzem habe ich den "Öko-Garten" in Freiburg besucht. Seit weit mehr als 20 Jahren werden dort Bildungsprojekte für alle Schichten und alle Alterstufen durchgeführt. Angefangen von Gesundheit und Krankheit, über Ernährung und Kosmetik, Kultur und Gesellschaft, bis hin zu nicht umweltschädigendem Konsumverhalten.

Und das gab es schon einige Jahrzehnte, bevor es die Dekade für Nachhaltige Entwicklung seitens der Vereinten Nationen ins Leben gerufen wurde.

domradio: Das sind die großen Projekte. Was heißt das denn im Alltag für Kindergarten, Grundschule und Universität? Nachhaltigkeit, zukunftsfähig zu sein?
Offenheußer: Ganz allgemein gesprochen heißt das, über den Tellerrand hinaus zu schauen, den Tellerrand des Tages, der eigenen Kultur und Nation zu überschauen.

domradio: Ist das nicht eigentlich selbstverständlich?
Offenheußer: Das denkt man, für einige ist es auch selbstverständlich. Aber wenn wir unser eigenes Verhalten tagtäglich objektiv betrachten, dann stellt man fest: es wird von kurzfristigem  Nutzen und Gewinn gelenkt! Man denke nur an die Finanzkrise, da macht man sich relativ wenig Gedanken über nachwachsende Generationen und die Lasten, die daraus resultieren. Graça Machel, die Gattin von Nelson Mandela, machte auf diese Problem auf der Konferenz in Bonn aufmerksam. Ein Prozent Rückgang des Wirtschaftswachstums wird insgesamt jeweils 20 Millionen Menschen in die Armut stoßen! Das ist etwas, was wir derzeit anhand der Finanzkrise nicht nur befürchten, sondern was wir derzeit auch erleben.

So hat diese Konferenz einen sehr starken Bezug zu den Entwicklungsländern bekommen- zu dem anderen großen Ziel der Vereinten Nationen und Unesco, nämlich "Bildung für alle". Es geht darum, dass wir wirklich darauf achten, dass jedes Kind auf dieser Welt eine Ausbildung bekommt. Bislang gehen 75 Millionen Kinder immer noch nicht auf eine Schule, vermutlich sind es auch noch mehr. Und dann geht es darum, was sie in dieser Schule lernen. Sie sollen sich Fähigkeiten aneignen, die nützlich für ihre Zukunftsbewältigung sind.

domradio: Wie kann die Unesco-Konferenz helfen, dass mehr Kinder zur Schule gehen können?
Offenheußer: Die Unseco ist eine zwischenstaatliche Organisation mit starker zivilgesellschaftlicher Beteiligung. Das besondere ist, sie verbindet Regierungshandeln mit privatem Handeln. Nun sind auf dieser Konferenz 55 Bildungsminster aus allen Regionen dieser Welt vertreten. Die haben sich gestern  zu einem gemeinsamen Treffen zusammengefunden. Dass Menschen auf der hohen politischen Ebene sich zusammengefunden haben, lässt natürlich hoffen, dass Nachhaltigkeit in den einzelnen Länder aufgenommen wird. Das ist das abstrakteste Ziel, dem wir aber sehr zuversichtlich entgegen sehen.

Immer mehr Länder auf dieser Welt  haben die Notwendigkeit eines Mentalitätwandels, aber auch eines Wandels der Bildungssysteme eingesehen. Japan hat in den letzten Jahren extreme Fortschritte gemacht. In vielen Europäischen Ländern aber auch in Afrika ist das Interesse extrem gewachsen, Nachhaltigkeit zu üben. Jetzt in der zweiten Hälfte der Dekade soll im Mittelpunkt stehen, die Basis für Bildung der nachhaltigen Entwicklung zu verbreitern.