Köln gedenkt der Toten des eingestürzten Historischen Stadtarchivs

Eine tiefe Wunde bleibt

In Köln ist am Dienstag mit einer Trauerfeier der beiden Männer gedacht worden, die bei dem Einsturz des Stadtarchivs ums Leben kamen. "Wir fühlen und leiden mit Ihnen", sagte Oberbürgermeister Fritz Schramma an die Adresse der Verwandten und Freunde des 17-jährigen Bäcker-Lehrlings Kevin und des 24-jährigen Studenten Khalil.

 (DR)

Schwerer als alle Trümmer in der Severinstraße wiege der unerträgliche Schmerz der Angehörigen. Das Unglück hinterlasse eine tiefe Wunde in der Stadt.

Schramma kam auch auf die bis 2011 geplante Großbaustelle für die Erweiterung der U-Bahn zu sprechen, die viele Bürger verunsichert.
Bautechnische Mängel werden als Ursache für das Unglück vom 3. März vermutet. "Alle beantwortbaren Fragen werden beantwortet werden müssen, daran werde ich mit ganzem Einsatz arbeiten", betonte der Oberbürgermeister. Verantwortlichkeiten müssten geklärt und Konsequenzen gezogen werden. Den kulturellen Verlust durch den Einsturz des Archivs nannte Schramma unermesslich für Deutschland und Europa.

Der Oberbürgermeister appellierte an die Kölner, sich nicht von ihrer Wut auf Behörden, Verkehrsbetriebe und anderen Institutionen beherrschen zu lassen. Er benötige die Unterstützung aller, um erschüttertes Vertrauen wiederherzustellen. Derzeit werde der Baustopp auch dazu genutzt, Bauarbeiten neu zu organisieren und Sicherheitstechniken zu verbessern.

Schweigemarsch
Am Abend findet ein Schweigemarsch statt. Die Polizei habe entlang der Strecke eine Teilsperrung der Straßen angeordnet, teilte eine Sprecherin der Veranstalter am Montag in Köln mit. Der Marsch mit Lichterkette soll um 18.30 Uhr am Chlodwigplatz starten und auch über die Severinstraße führen, an der der Unglücksort liegt. Geplant ist eine Menschenkette in Herzform rund um den Ort des eingestürzten Archivs.  Zum Abschluss gibt es eine Kundgebung auf dem nahen Waidmarkt.

Die Initiative war von einer kleinen Gruppen von Bewohnern des Kölner Severinsviertels ausgegangen, die sich im Internet zusammenfand. Auch Gruppen aus Kirchengemeinden wollen sich dem Schweigemarsch anschließen. Die Bürgerinitiative "Wir retten unser Stadtarchiv" hilft bei der Organisation. Der Malteser Hilfsdienst entsendet Sanitäter. Bereits am Nachmittag fand auf Einladung von Oberbürgermeister Fritz Schramma im Gürzenich eine Gedenkstunde der Stadt Köln mit weit über 1000 Teilnehmern statt.

Das Stadtarchiv war am Dienstag vergangener Woche eingestürzt. Dabei kamen zwei Menschen ums Leben. Das erste Opfer war am vorletzten Sonntag geborgen worden, das zweite am Donnerstagabend. Als Grund für den Einsturz werden Probleme beim nahen U-Bahnbau angenommen.
Das Archiv umfasste Dokumente aus über 1.000 Jahren Kölner und rheinischer Geschichte, insgesamt 65.000 Urkunden, 104.000 Karten und eine halbe Million Fotos. Ein Teil davon konnte geborgen werden.

Bergungsarbeiten am Kölner Stadtarchiv gehen weiter
Die Bergung der Dokumente ist auch am Dienstag fortgesetzt worden. Nach Angaben der Stadtverwaltung sind an der Unglücksstelle insgesamt rund 50 Mitarbeiter der Feuerwehr und des Technischen Hilfswerks (THW) von morgens bis abends im Einsatz. Die Ursache für das Unglück, das mit dem U-Bahn-Bau in Köln in Verbindung gebracht wird, ist weiter unklar.

Laut dem Pressesprecher des Kulturdezernats der Stadt Köln, Peter Schelenz, gibt es derzeit zwei Hallen, in denen das geborgene Kulturgut sortiert und vorbearbeitet wird. 20 bis 30 Leute trennten dabei in einem ersten Schritt in einer Halle in Köln-Porz Archivalien von Schutt und Privatgegenständen. In einer zweiten Halle, dem sogenannten "Erstversorgungszentrum", werde das Archivmaterial dann eingehender gesichtet und sortiert. Anschließend kommt es in Zwischenlager, bis ein neues Stadtarchiv fertiggestellt ist. Archivmaterial, das nass geworden ist, wird in Münster von Fachleuten des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) behandelt. Sie sollen den Archivalien die Feuchtigkeit entziehen.

Nach den Worten von Schelenz ist derzeit unklar, wie lange die Bergung und Aufarbeitung des Archivmaterials noch andauern wird. Nach der Bergung der beiden bei dem Einsturz getöteten Bewohner der Nachbarhäuser befinde man sich jetzt in einer Phase, wo man systematisch den geborgenen Archivbestand erfassen könne.

Unterdessen gab es weiter Kritik an den Kölner Verkehrsbetrieben (KVB) und der Stadt, weil nahe der Unglücksstelle zu viele Brunnen gebohrt wurden und zu viel Grundwasser entnommen worden war. Die KVB hätten die mit dem U-Bahn-Bau beauftragen Baufirmen regelmäßig kontrollieren müssen, sagte der Vizepräsident der Ingenieurkammer NRW, Heinrich Bökamp.

Nach Angaben von Bökamp entfalle die Entnahme des Grundwassers zwar in den Bereich der Umweltaufsicht, allerdings habe dies auch immer Auswirkungen auf die Standfestigkeit der Bauwerke. "Je mehr Wasser sie bewegen, desto mehr Material kann abgeschwemmt werden", betonte Bökamp. Das Risiko von Bewegungen im Untergrund "wachse kräftig". Deshalb müsse im Falle der erhöhten Grundwasserförderung unverzüglich der Ursache auf den Grund gegangen werden.

Der Baukonzern Bilfinger Berger, der Konsortialführer für den U-Bahn-Bau in Köln ist, warnte in diesem Zusammenhang vor Spekulationen und Vorverurteilungen. Die Ermittlungen zur Unglücksursache dauerten an, bislang sei die Ursache für den Einsturz noch unklar, erklärte Vorstandschef Herbert Bodner. Es werde einige Zeit dauern, bis die Ursachen geklärt seien