Miguel d'Escoto ist neuer Präsident der UN-Vollversammlung

Ein streitbarer Priester in New York

Katholischer Priester, Träger des sowjetischen Lenin-Friedenspreises und Freund klarer Worte: Der Nicaraguaner Miguel d'Escoto Brockmann ist Präsident der UN-Vollversammlung für die laufende Sitzungsperiode. Seinen vielleicht größten Auftritt als Gastgeber in der Vollversammlung hatte der Mann, der den früheren US-Präsidenten Ronald Reagan als "Schlächter meines Volkes" bezeichnete, am Dienstag: Er begrüßte US-Präsident George W. Bush vor dessen Rede.

Autor/in:
Jan Dirk Herbermann
 (DR)

Vor Jahren sagte der 75-jährige: «Wegen Reagan und seinem geistigen Erbe George W. Bush ist die Welt heute unsicherer als sie jemals zuvor war.» Nun gab er sich versöhnlich und sprach von der Ehre, die es sei, «unseren lieben Bruder Präsident Bush» zu begrüßen.

Im Juni wurde der frühere Außenminister Nicaraguas (1979-1990) zum Präsidenten der UN-Vollversammlung bestimmt, seit September hat er das Amt inne. «Sie haben einen Priester gewählt», sagte d'Escoto nach seiner Wahl. «Und ich hoffe, niemand fühlt sich angegriffen, wenn ich sage, dass die Welt nichts so sehr braucht wie Liebe.»

Nächstenliebe und Hilfe für die Schwachen zieht sich tatsächlich wie ein roter Faden durch das Leben des Mannes, der 1933 im US-Bundesstaat Kalifornien das Licht der Welt erblickte. Er verbrachte seine Kindheit in Nicaragua, kam zurück in die USA und trat 1953 dem katholischen Seminar in Maryknoll (New York) bei. Nach seiner Priesterweihe zog dEscoto rastlos um die Welt. Seine Mission:
Den Armen ein besseres Leben ermöglichen.

In den Slums von Chile stritt er für die Rechte der Arbeiter, in Nicaraguas Hauptstadt Managua mobilisierte er 1972 Nothilfe nach einem verheerenden Erdbeben. Später beteiligte er sich am Kampf gegen Anastasio Somoza, den prunksüchtigen Diktator seines Heimatlandes.
Dabei setzte d'Escoto, ein Anhänger der Lehren Gandhis, immer auf das Prinzip des friedlichen Widerstands.

Während seiner Zeit als Außenminister standen sich sein Land und die USA faktisch als Kriegsgegner gegenüber. Auf d'Escotos Drängen verklagte Managua die Vereinigten Staaten vor dem Internationen Gerichtshof wegen Unterstützung paramilitärischer Gruppen in Nicaragua  die Richter gaben dem streitbaren Priester und seiner Regierung recht.

Widerstand will der Mann aus dem kleinen Land auch gegen die traditionelle Machtverteilung in den Vereinten Nationen leisten. Die Reform des UN-Sicherheitsrates soll unter seiner Präsidentschaft in Angriff genommen werden: d'Escoto wirbt für eine «Demokratisierung» der Organisation. Dieses Vorhaben dürfte vor allem seine alten Gegner in Washington auf den Plan rufen.