Der Streit ums Karfreitagsgebet hält an

Mission oder Hoffnung?

Der Streit um die Karfreitagsfürbitte hält an. Am Montagabend hat sich sogar das ARD-Politmagazin "Report Mainz" mit dem Thema beschäftigt. Die Fürbitte wird am Karfreitag von den Gemeinden gesprochen, die die Liturgie nach altem Ritus feiern. domradio erläutert die Herkunft des Textes und fasst die unterschiedlichen Positionen in diesem Streit zusammen.

 (DR)

Die Karfreitagsbitte wurde besonders in ihrer mittelalterlichen Form, aber auch in der Neufassung von 1962 als Ausdruck des christlichen Antijudaismus verstanden. Die im Messbuch von 1970 vorgelegte Form verzichtet daher völlig auf Formulierungen, die auf eine Bekehrung der Juden zielen.

2007 hat Papst Benedikt dann den Ritus von 1962 als außerordentliche liturgische Form wieder zugelassen. Vertreter der Juden und des jüdisch christlichen Dialogs fürchten seitdem die Verwendung der alten Karfreitagsfürbitte. Alle Fassungen der Karfreitagsfürbitten können sie hier nachlesen.
Mögen sie Christus erkennen

Auch Papst Benedikt XVI. sah die Notwendigkeit einer Änderung der sogenannten Karfreitagsfürbitte für  die Messen im alten Ritus. Am sechsten Februar hatte der Papst einen neuen Text der Fürbitte veröffentlicht.  
In der alten Formulierung von 1962 war immer noch von einer "Verblendung jenes Volkes" die Rede gewesen, das aus seiner "Finsternis entrissen" werden sollte. Gleichwohl heißt es auch im neuen Text, dass die Juden Jesus Christus erkennen mögen. In den Messen, die nach altem Ritud gefeiert werden, bitten die Gläubigen in lateinischer Sprache: " dass Gott unser Herr ihre Herzen erleuchte, damit sie Jesus Christus als den Retter aller Menschen erkennen. (...) Allmächtiger ewiger Gott, der Du willst, dass alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen. Gewähre gnädig, dass beim Eintritt der Fülle der Völker in Deine Kirche ganz Israel gerettet wird. Durch Christus unseren Herrn. Amen"
Kritik von Juden und Katholiken

Der Gesprächskreis "Juden und Christen" beim Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) hatte Papst Benedikt XVI. nach der Veröffentlichung des neuen Textes, Ende Februar, aufgefordert, die umstrittene Karfreitagsfürbitte für Juden wieder zurückzuziehen. Unterzeichnet wurde die ZDK-Erklärung auch von zwei prominenten jüdischen Vertretern in Deutschland.

Der Rektor der einzigen Ausbildungsstätte für Rabbiner in Deutschland, Walter Homolka und der Frankfurter Sozialwissenschaftler Micha Brumlik, die die Erklärung unterzeichneten, haben außerdem ihre Teilnahme am 97. Deutschen Katholikentag in Osnabrück abgesagt.
Homolka kritisierte gegenüber der Katholischen Nachrichtenagentur KNA die Ankündigung der Deutschen Bischofskonferenz, multireligiöse Feiern weiter einzuschränken. Es stimme bedenklich, wenn die katholische Kirche nicht mehr davon ausgehe, dass Juden und Christen dasselbe Gottesbild hätten. Damit schneide sie ihre Wurzeln ab. Er frage sich, was "wir eigentlich beim christlich-jüdischen Dialog in den vergangenen Jahrzehnten gemacht haben", so der Rabbiner gegenüber der Katholischen Nachrichtenagentur KNA. Auch in der ARD-Sendung am Montagabend  hinterfragte Homolka den Sinn von 50 Jahren Dialog in Deutschland.
Als weiterer Vertreter der Juden in Deutschland kam Nathan Kalmanowicz, Kulturdezernent im Präsidium des Zentralrats der Juden, bei "Report Mainz" zu Wort: "Jedem, der Lesen und Schreiben kann ist klar, dass gemeint ist, das Judentum soll missioniert werden. (...) Wir erwarten, dass diese Missionierungsversuche unterlassen werden.", formulierte Kalmanowicz in der ARD seine Erwartungen an die Katholiken.

Verhöhnung der Juden?
Im domradio kommentierte der jüdische Journalist Günther Ginzel die Wirkungen des Textes auf das Verhältnis von Juden und Katholiken. Ginzel sieht in der umstrittenen Fürbitte eine Verhöhnung des Judentums. "Im Grunde genommen ist diese Fürbitte weniger eine Fürbitte, sondern eine Verhöhnung. Sie war auch nie als etwas anderes gedacht", so Ginzel im domradio. Un er fährt fort: "Es spricht aus ihr der alte Antijudaismus einer Kirche, die eben bis zum Zweiten Vatikanum in ihren Grundfesten antijüdisch war, in einer theologischen Form." Der Text sei, so Ginzel, kein Weg zum Dialog sondern ein Weg, der "Trennung manifestiert". Der Journalist fürchtet, dass der Konsens zwischen Katholiken und Juden mit Blick auf die katholischen Traditionalisten in der Nachfolge von Lefebvres, eingeschränkt wird.

"Theologisch vollkommen in Ordnung"
Im Report Mainz sprach als Vertreter des Vatikan auch Kurienkardinal Walter Kasper: "Der Papst lässt das Gebet so. Es ist ja auch aus unserer Sicht theologisch vollkommen in Ordnung. Es ist nur schwierig für die Juden, das zu akzeptieren". Eine ausführliche Erläuterung des Kardinals können sie bei domradio nachlesen.

Auch ein Kommentar von Pater Eberhard von Gemmingen, dem Leiter der deutschsprachigen Abteilung von Radio Vatikan, verdeutlicht die Position des Vatikan: "Die neue Karfreitagsbitte ist meiner Ansicht nach kein Aufruf zur Taufe der Juden. Sie drückt aber den Wunsch aus, dass auch die Juden Jesus von Nazareth eines Tages im Jenseits als ihren Erlöser erkennen. Wenn die Christen ihren Glauben an den Juden Jesus als Erlöser aller Menschen aufgäben, würden sich selbst aufgeben. So wenig wie die Juden ihre Religion verleugnen wollen, so wenig wollen es die Christen. Das bedeutet aber nicht, dass die Kirche das Judentum, aus dem sie hervorgegangen ist, missachtet. Im Gegenteil. Die Kirche ehrt die Juden als ältere Brüder, wie Johannes Paul II. gesagt hat. Aber sie spricht ihre Hoffnung aus, dass der Glaube an den Juden Jesus als Erlöser aller Menschen Juden und Christen nicht mehr trennt, sondern vereint. Diese Hoffnung sollte nicht verboten sein", so Pater von Gemmingen.

Juden verlangen keinen Glaubensübertritt
Kardinal-Staatssekretär Tarcisio Bertone rief am Montag den Widerspruch des römischen Oberrabbiners hervor, weil er erklärt hatte, dass es "auf beiden Seiten" Gebete gebe, die man möglicherweise ändern solle. Der römische Oberrabbiner Riccardo Di Segni reagierte darauf mit den Worten, Juden hätten niemals von anderen einen Glaubensübertritt verlangt. Die jüdische Liturgie nehme überhaupt nicht Bezug auf Christen. Entsprechende Texte habe man schon "vor Jahrhunderten, lange vor dem Konzil" geändert. Ein Gespräch zwischen den beiden Religionen müsse die Identität des anderen respektieren.

Unterdessen kritisierte mit dem Braunschweiger Bischof Friedrich Weber erstmals ein Spitzenvertreter der evangelischen Kirche die Neufassung der Karfreitagsfürbitte für den außerordentlichen lateinischen Ritus.

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