Luxemburg legalisiert die aktive Sterbehilfe - Niederlage für Junckers Regierungspartei

Entscheidung mit Folgen

Die Mehrheit war denkbar knapp: Mit 30 Ja-Stimmen bei 26 Nein-Stimmen und drei Enthaltungen billigte das Luxemburger Parlament am Dienstagabend die Straffreiheit für aktive Sterbehilfe. Möglich wurde die Niederlage der Regierungspartei CSV von Ministerpräsident Jean-Claude Juncker dadurch, dass ein Abgeordneter krank war, ein CSV-Abgeordneter mit den Befürwortern der Straffreiheit stimmte und Junckers sozialistischer Koalitionspartner ebenfalls für die aktive Sterbehilfe votierte.

Autor/in:
Christoph Lennert
 (DR)

Der Fraktionszwang in der 60 Abgeordnete zählenden Kammer war für die Abstimmung aufgehoben. Der Staatsrat muss jetzt prüfen, ob das Gesetz der Verfassung entspricht. Niemand rechnet aber damit, dass dadurch noch mehr als Details verändert werden. Luxemburg wird damit nach den Niederlanden und Belgien der dritte Staat weltweit, der aktive Sterbehilfe zulässt. Die sozialistische Abgeordnete Lydie Err, gemeinsam mit dem Grünen-Abgeordneten Jean Huss Mitautorin des Gesetzes, rechnet mit einem Inkrafttreten im Herbst.

Einstimmig billigten die Abgeordneten am Dienstagabend zunächst auch eine Regierungsvorlage über den Ausbau der Sterbebegleitung und die Legalisierung des Verzichts auf Intensivmedizin am Lebensende.
Patienten können sich künftig mit einer Verfügung lebensverlängernden Maßnahmen verweigern. Ärzten wird zugestanden, nicht länger Leben um jeden Preis erhalten zu müssen. Sie dürfen schmerzstillende Medikamente unter bestimmten Bedingungen auch in Mengen verabreichen, die lebensverkürzend wirken können. Über diese Forderungen bestand Konsens.

Die Mehrheit der Abgeordneten ging aber weiter und beschloss die Straffreiheit für aktive Sterbehilfe. Voraussetzung ist, dass es sich um unheilbar kranke Patienten handelt, die überlegt handeln und schriftlich ihren Willen bekunden. Auch 16- bis 18-Jährige sollen um Sterbehilfe nachsuchen können, wenn die Eltern oder die gesetzlichen Vertreter ihre Zustimmung erteilen. Sterbehilfe soll auch bei willensunfähigen Patienten möglich sein, wenn eine Patientenverfügung vorliegt.

Ärzte sind nach dem Gesetz verpflichtet, Gespräche mit ihren Patienten über ihre Entscheidung zu führen und einen anderen Arzt zur Beratung herbeizuziehen. Sämtliche Sterbehilfe-Fälle werden von einer Kontrollkommission überprüft. Bei Zweifeln wird die Staatsanwaltschaft eingeschaltet.

Folgt man Meinungsumfragen, spiegelt die Parlaments-Mehrheit die Stimmung der zu über 90 Prozent katholischen Bevölkerung des Großherzogtums wider. Dass Luxemburger "Tageblatt" berichtete, zwei Drittel hätten angegeben, sie würden gegebenenfalls selbst einen Arzt darum bitten, ihnen beim Sterben zu helfen. 71 Prozent der Befragten hätten es für richtig befunden, dass Ärzte, die aktive Sterbehilfe leisten, nicht gerichtlich belangt würden.

Dagegen hatte die katholische Kirche mehrfach vor einer Legalisierung der aktiven Sterbehilfe gewarnt. Erzbischof Fernand Francks Sprecher erinnerte am Mittwoch an eine kurz vor Weihnachten veröffentlichte Stellungnahme. Sterbehilfe sei "das bewusste Töten eines Menschen", hatte Franck darin erklärt. Die Erfahrungen aus den Niederlanden und Belgien belegten, dass mit der Liberalisierung der Sterbehilfe dort ein "nicht mehr aufzuhaltender Missbrauch in Gang gesetzt" worden sei. Franck warnte vor sozialem Druck auf Kranke und Sterbende.

Der Verzicht auf lebensverlängernde Maßnahmen des Regierungsentwurfs fand dagegen die Billigung der luxemburgischen Kirche. Hier gebe es einen entscheidenden moralischen Unterschied, erklärte Erzbischof Franck schon im Dezember. Der Verzicht auf intensivmedizinische Lebensverlängerung könne erlaubt und unter Umständen sogar geboten sein, wenn diese das Leiden des Sterbenden nur unnötig verlängerten.
Die absichtliche Herbeiführung des Todes sei dagegen mit dem Respekt des Lebens unvereinbar.