TV-Duell in Hessen: "Fast heiterer Auftritt" von Ypsilanti - von Clement unbeeindruckt

Lob der Sachlichkeit

Im ersten Fernsehduell in der Geschichte der hessischen Landtagswahlen hat sich die Herausforderin der SPD, Andrea Ypsilanti nach Einschätzung des Mainzer Politikwissenschaftlers Gerd Mielke etwas besser präsentiert als ihr CDU-Kontrahent Roland Koch. Vor allem bei den Themen Familie, Bildung und Integration konnte Ypsilanti punkten. Koch überzeugte bei Finanzthemen. Im Gegensatz zu der agressiven Diskussion der letzten Wochen, wollten am Sonntag beide Kandidaten mit Fakten und guten Argumenten überzeugen.

 (DR)

Am Ende des Duells übte sich Roland Koch in Medienkritik. Die Forderung, auch Zwölfjährige bei kriminellen Taten ins Gefängnis zu stecken, habe er "nie erhoben", erklärte der CDU-Politiker und hessische Ministerpräsident. Da habe sich eine Äußerung aus einem Interview, das er wohl "nicht genau genug gegengelesen" habe, einfach verselbständigt. Herausforderin Andrea Ypsilanti (SPD) nutzte die Vorlage für einen Konter: "Das ist passiert, weil man Ihnen solche Aussagen zutraut", warf sie dem Landesvater an den Kopf.

In der kurzen Pressekonferenz nach dem ersten TV-Duell in der Geschichte der hessischen Landtagswahlkämpfe sah sich Koch genötigt, noch einmal nachzulegen. Viele Medien hätten seine Äußerung aus der "Bild am Sonntag" vom vergangenen Wochenende mit Unterstellungen vermischt und dann weiterverbreitet. Dabei habe er lediglich darauf hinweisen wollen, dass Zwölfjährige in kriminellen Kreisen häufig "als Waffe missbraucht" würden, weil sie nicht strafmündig seien.

Ansonsten freute sich Koch darüber, dass die Kandidaten "zu einer gewissen Sachlichkeit" zurückgefunden hätten. Auch Ypsilanti bekannte, sie habe das Streitgespräch als sachlich empfunden.

Mit Fakten überzeugen
Vorausgegangen waren anderthalb Stunden, in denen die Widersacher über acht Themen - von Bildung über Flughafenausbau, Energie und Haushalt bis hin zur Inneren Sicherheit - engagiert, aber nur wenig polemisch gestritten hatten. Deutlich war zu erkennen, dass beide die Fernsehzuschauer mit Fakten überzeugen und nicht mit Schärfe und Aggressivität für sich einnehmen wollten.

Die Moderatoren des am Sonntagmittag aufgezeichneten und am Sonntagabend im Hessischen Rundfunk (HR) ausgestrahlten Duells hatten keine größere Mühe mit den Diskutanten. Alois Theisen, Fernseh-Chefredakteur des HR, und Claudia Schick, bekannt aus dem "hessenjournal" und der ARD-Sendung "Report München", achteten auf eine gerechte Verteilung der Redezeit und unterbrachen die Politiker auch, wenn diese sich mal in einem Thema verhedderten.

Faktencheck
An einem kritischen Punkt der Diskussion versuchte Theisen, die "Faktencheck"-Methode aus der ARD-Talkshow "Hart aber fair" anzuwenden. Zuvor hatten sich Koch und Ypsilanti gegenseitig Statistiken zu Polizisten- und Richterstellen in Hessen um die Ohren gehauen, die jeweils die Untätigkeit des gegnerischen politischen Lagers beweisen sollten. Theisen warf ein, nach Zahlen des statistischen Landesamtes habe die Regierung Koch 341 bezahlte Polizei-Stellen eingespart. Doch Koch wollte auch diese vermeintlich objektiven Zahlen gleich wieder relativieren, indem er darauf verwies, es handle sich dabei überwiegend um "Küchenpersonal".

Ypsilanti wirkte nur am Anfang leicht nervös, später demonstrierte sie Selbstbewusstsein. Koch, der von den schlechten Umfragewerten nicht geschockt zu sein schien, agierte vergleichsweise zurückhaltend und fiel erst zum Schluss einige Male aus der Rolle des pragmatischen Landesvaters. Er geißelte das "linke Ypsilanti-Programm" und empfahl seiner Widersacherin in provokantem Tonfall, "jetzt mal ganz ruhig" zu sein, als diese sich zum Thema Vermögenssteuer ausließ. Die SPD-Politikerin lieferte allerdings prompt die Retourkutsche: "In der Frage der Glaubwürdigkeit nehme ich es mit Ihnen allemal auf."

Viele Beobachter im Pressezentrum des HR wollten hinterher ein Unentschieden gesehen haben. Das verwundert nicht - denn ein Remis ist fast immer die häufigste Wertung, die nach einem Fernsehduell zwischen zwei Spitzenpolitikern in Deutschland vergeben wird.
  
"Einen Hauch zufriedener"
Nach Einschätzung des Mainzer Politikwissenschaftlers Gerd Mielke hat sich allerdinags die hessische SPD-Spitzenkandidatin Andrea Ypsilanti beim Fernsehduell mit Ministerpräsident Roland Koch (CDU) am Sonntagabend etwas besser präsentiert als ihr Kontrahent. "Ich glaube, unter dem Strich kann sie einen Hauch zufriedener sein", sagte Mielke im Anschluss an das Duell zu Journalisten. Ypsilanti habe einen "vergleichsweise lockeren, fast heiteren Auftritt hingelegt" und Themen, die für die SPD wichtig seien, gut rüberbringen können.

Koch dagegen sei staatsmännisch, eher nachdenklich und milde im Tonfall aufgetreten. "Koch hat den Ministerpräsidenten, nicht aber den CDU-Wahlkämpfer gegeben, der auch mal in die Tasten haut". Die Erwartungen eines Teils der hessischen Unionswählerschaft, der stark konservativ geprägt sei, habe Koch damit nicht bedienen können.

Finanzen: gut
Gut ausgesehen habe Koch in dem Duell vor allem beim Thema Finanzen. Dort habe er seinen Ministerpräsidentenbonus ausspielen können. Kochs große Schwächen seien die Themen Familie, Bildung und Integration gewesen. Ypsilanti "hat deutlich machen können, dass sie für eine andere SPD steht als die von Gerhard Schröder und Wolfgang Clement, die die Partei heruntergezogen haben".

Auch nach dem Duell sieht der Mainzer Politikprofessor das Rennen in Hessen offen. "Aber schon allein, dass das Rennen noch offen ist, ist für die SPD und Ypsilanti eigentlich eine Sensation", meinte Mielke. Auch, wenn CDU und FDP am Ende eine knappe Regierungsmehrheit bekämen, werde die SPD wohl bei der Wahl deutlich zulegen. Dies sei vor allem für Parteichef Kurt Beck ein "wichtiges Signal". Der eigentliche Gewinner dieser Landtagswahl werde daher Beck sein.

dr, ddp und Michael Ridder(epd)