Der Brandanschlag auf eine Kirche in Kenia erschüttert eine ganze Region

Die Angreifer waren Nachbarn

Die Überreste des verbogenen Wellblech-Dachs knarren gespenstisch im Wind. Es ist das einzige Geräusch, sonst ist es still in Kiamba, wo nur ein Berg aus Asche und ein paar Mauern aus Lehm an die heruntergebrannte Kirche erinnern. Am Neujahrstag haben hier im Westen Kenias mehr als hundert Frauen und Kinder um ihr Leben gefleht, als eine aufgebrachte Menge aufgeschlitzte Matratzen stapelte und mit Kerosin übergoss. Dann steckten die Angreifer die evangelikale Freikirche in Brand. Mindestens 30 Opfer starben in den Flammen.

 (DR)

Die Fahrräder, mit denen die Frauen kamen, stehen noch dort, wo früher die Kirchentür war. "Wir haben uns am Neujahrsmorgen zum Gottesdienst getroffen, um für Frieden in unserem zerrissenen Land zu beten", erinnert sich Naomi Nyendo, die mit ihrer Großmutter und der anderthalbjährigen Tabitha in der Kirche war. "Es war vielleicht halb elf, da kamen unsere Nachbarn mit Steinen in der Hand und Macheten." Es war bedrohlich: "Raus mit den Kikuyus", riefen sie, und drängten die Frauen, die vor der Kirche in der Sonne saßen, hinein.

Da waren gerade zwei Tage vergangen, seitdem sich der umstrittene Präsident Mwai Kibaki zum Sieger der Wahl vom 27. Dezember ernannt hatte. Eine Welle der Gewalt schwappt seither durch das nördliche Rift Valley, rund um die Stadt Eldoret. Auf der einen Seite sind die Anhänger der Opposition um den Politiker Raila Odinga, vor allem Angehörige der größten Volksgruppe in der Region, der Kalenjin  sie fühlen sich um ihren Wahlsieg betrogen. Auf der anderen Seite stehen die Kikuyu, zu denen auch Kibaki und Nyendos Gemeinde zählen: Angehörige der Ethnie, die hier nur eine kleine Minderheit ist, wurden binnen Minuten zu Opfern.

"Wir sind mit Macheten bewaffnet zur Kirche gestürmt"
"Wir Männer hatten die ganze Nacht über Wache geschoben und schliefen", erklärt Peter Njoroge. Erst als die Kirche schon in Flammen stand, hörten sie die Schreie und sahen den dunklen Rauch am Himmel. "Wir sind mit Macheten bewaffnet zur Kirche gestürmt, aber es waren so viele, dass wir kaum etwas ausrichten konnten." Schließlich konnte einer im Chaos ein Fenster einschlagen, ein anderer brach die Tür auf. So konnten sich die meisten Gemeindemitglieder retten.

Mary Karuris Mann wurde bei den Kämpfen auf dem Kirchhof schwer verletzt, während sie die Kinder und ein paar Habseligkeiten in Sicherheit brachte. Mit einer Machete wurde ihm eine Hand abgeschlagen, mehrere Schläge mit dem Buschmesser trafen ihn im Gesicht. "Er liegt im Krankenhaus und die Ärzte kümmern sich gut um ihn", sagt Karuri tapfer. Mehrmals am Tag schaut sie nach ihm.

Derzeit lebt der Rest der Familie in einem Lager, das von der Polizei bewacht wird. Doch wo die Karuris leben sollen, wenn die Unruhen einmal vorbei sind, weiß Mary nicht. "Die Angreifer waren Nachbarn, wir kannten sie  ich weiß nicht, ob wir noch einmal zurückkehren können." Dass es sich bei den Vorfällen um spontan entladene Gewalt handelt, glaubt sie nicht. "Das hat jemand geplant, wie hätten sonst 2.000 Menschen bei uns in Kiamba Jagd auf uns machen sollen?"

Politisch und ethnisch zugleich
"Der Konflikt ist politisch und ethnisch zugleich", sagt Achikumweru Kamau, die auch aus Kiamba geflohen ist: "Immer wieder vor den Wahlen werden wir Kikuyu verfolgt." Das hat historische Wurzeln. In den 60er Jahren siedelte Staatsgründer Jomo Kenyatta, selbst ein Kikuyu, viele Bauern seiner Volksgruppe hier in der fruchtbaren Region an. Der Konflikt um Land und Reichtum wird regelmäßig von Politikern missbraucht, um Stimmung zu machen. Doch so schlimm wie dieses Mal, sagt Kamau, war es noch nie.

Njoroge und Nyendo haben sich für eine kurze Zeit an den Ort des Schreckens zurückgetraut, aber nur in Begleitung. Njoroge und gut 20 andere Männer springen von der Ladefläche eines Lastwagens, auf dem schwer bewaffnete Soldaten Ausschau nach Kalenjin-Milizen halten. In Grüppchen rennen die Vertriebenen zu ihren Häusern, um zu retten, was die Plünderer zurückgelassen haben. "Wenn wir den Rest jetzt nicht mitnehmen, wird der auch noch gestohlen", erklärt Njoroge.

Naomi Nyendo trägt eine kleine Plastiktüte, darin ist alles, was sie noch in den Trümmern ihrer Hütte gefunden hat. Sie wirft einen letzten Blick auf die Überreste der Kirche. Tränen steigen in ihren Augen auf, sie schluchzt. "Meine Großmutter saß im Rollstuhl, ich musste meine Tochter retten und konnte mich in dem Chaos nicht um sie kümmern." Die alte Frau starb in den Flammen. Ihr Rollstuhl steht noch immer inmitten der Asche  ein Mahnmal mit abgeplatzter Farbe.

Von Marc Engelhardt (epd)