Indischer Kardinal: Christen sind Sprengstoff im Kastensystem

"Terrorismus gegen Christen"

Die Ausschreitungen radikaler Hindus gegen Christen zu Weihnachten haben nach Einschätzung des indischen Kardinals Telesphore Toppo einen religionspolitischen Hintergrund. Der Vorsitzende der Indischen Bischofskonferenz sagte im Gespräch mit dem katholischen Hilfswerk Misereor in Bhubaneswar, Hindu-Fundamentalisten wollten verhindern, dass die Zahl der Christen wachse.

 (DR)

"Wir sind eine wirkliche Gefahr für ihr Kastensystem", sagte Toppo. Nach seinen Angaben sind 60 bis 70 Prozent von Indiens Katholiken Dalits oder Adivasi, also Kastenlose. In der von Ausschreitungen betroffenen Region sei die katholische Kirche in den vergangenen Jahren stark gewachsen.

Nach Ansicht des Kardinals waren die Anschläge im Distrikt Kandhamal systematisch geplant: "Sie wollten einfach nur Verwirrung stiften, eine Art Terrorismus, der die Christen bedroht und sie in Angst versetzt." Ähnliches sei 2002 in Gujarat gegenüber der muslimischen Minderheit passiert, so Toppo.

Attraktivität des Christentums bei Unberührbaren
Grund sei, dass die christliche Minderheit besonders bei den ehemals "Unberührbaren" besonders stark wächst. Die Christen hätten den von der hinduistischen Gesellschaft Ausgestoßenen ihre menschliche Würde zurückgegeben. "Im Kastensystem waren Tiere mehr Wert als wir", bemerkte der erste Kardinal Indiens, der aus einer Adivasi-Familie ehemals "Unberührbarer" stammt.

Die christlichen Missionare haben nach Einschätzung Toppos mit ihren Bildungsprogrammen und ihrer medizinischen Hilfe für Kastenlose zum Aufschwung Indiens beigetragen. Obwohl die insgesamt 2,3 Prozent Christen nur eine Minderheit der indischen Bevölkerung seien, spielten sie heute eine wichtige Rolle in der Gesellschaft.

Die knapp 30 Millionen Christen könnten nach Einschätzung des Kardinals auf 200 Millionen anwachsen, wenn alle Kastenlosen, also rund 100 Millionen Dalits und 70 bis 80 Millionen Adivasi, zu Christen würden. Die Fundamentalisten befürchteten, dass dann die traditionelle Hegemonie der Kasten verloren sei.

Zu Weihnachten war es im Distrikt Kandhamal zu Gewalttaten fundamentalistischer Hindu-Aktivisten gegen Christen gekommen.
Dabei wurden 10 Menschen getötet und mehr als 50 Kirchen zerstört. Auch andere kirchliche Einrichtungen wie Konvente, Priesterseminare und Gesundheitsstationen wurden überfallen und gebrandschatzt.