Koalitionsstreit um Jugendkriminalität eskaliert - Union verlangt Entschuldigung von Struck

Umgangsformen wie in der U-Bahn?

Der Koalitionsstreit über die Jugend- und Ausländerkriminalität eskaliert. SPD-Fraktionschef Peter Struck unterstellte am Freitag dem hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU) heimliche Freude über die Gewalttat zweier ausländischer Jugendlicher in der Münchner U-Bahn. Die Union reagierte empört. CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla verlangte eine Entschuldigung von Struck: "Hier ist endgültig eine Grenze überschritten." Der SPD-Fraktionschef entgegnete mit Blick auf die Union: "Die kann mich mal."

 (DR)

Struck hatte zuvor gesagt: "Ich glaube, dass Roland Koch ja eigentlich von Herzen froh war, dass dieser schreckliche Vorfall in München in der U-Bahn passiert ist." Der CDU-Politiker wolle erneut mit dem Thema Ausländerfeindlichkeit eine Wahl zu gewinnen. Der SPD-Fraktionschef betonte: "Ich frage mich, ob Herr Koch zum Beispiel das Thema auch so hochgezogen hätte, wenn es zwei deutsche Jugendliche gewesen wären, die diesen Rentner da malträtiert haben."

Pofalla entgegnete, Strucks Unterstellung schlage "dem Fass den Boden aus". Er fügte hinzu: "Das hat mit demokratischer Streitkultur nichts mehr zu tun." CSU-Generalsekretärin Christine Haderthauer nannte die Äußerungen von Struck "infam". Der SPD-Fraktionschef wolle davon ablenken, dass er "keine Antworten" auf derartige Gewalttaten habe.

Der hessische Regierungssprecher Dirk Metz bezeichnete die Unterstellung von Struck als "abstoßend, perfide und geschmacklos und auch in Wahlkampfzeiten nicht entschuldbar". Metz fügte hinzu: "Es wird Herrn Struck aber nicht gelingen, den Ministerpräsidenten mit solchen Totschlags-Äußerungen mundtot zu machen."

Der Sprecher der Bundesregierung, Ulrich Wilhelm, wollte die Äußerung Strucks nicht bewerten. Er betonte jedoch, die große Koalition sei "arbeitsfähig". Wilhelm zufolge hält Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) die Diskussion über das Jugendstrafrecht für angemessen. Bislang werde die Debatte von "den wesentlichen Akteuren nicht einseitig und verkürzt geführt".

Die Kritik von Migrantenverbänden am CDU-Wahlkampf in Hessen wird unterdessen immer lauter. Der Vorsitzende des Bundesausländerbeirates, Memet Kilic, warnte vor einem Rückschlag für die Integration. Bei der Jugendkriminalität handele es sich nicht um ein ethnisches, sondern um ein soziales Problem. Kilic äußerte die Hoffnung, dass sich Bundespräsident Horst Köhler mahnend in die Debatte einschaltet. Das Staatsoberhaupt habe "die Aufgabe, den Zusammenhalt in Deutschland zu fördern".

Der Vorsitzende des Islamrates, Ali Kizilkaya, betonte: "Es wäre sehr wünschenswert, wenn der Herr Bundespräsident mit seiner Autorität eine Versachlichung der Diskussion anmahnen würde." Das Vorgehen von Koch verstärke Vorurteile und sei "Wasser auf die Mühlen der rechtsradikalen Parteien". Der Chef der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Kenan Kolat, schrieb in einem Brief an Köhler: "Wir würden uns sehr freuen, wenn Sie sich in die Diskussion einbringen und mahnende Worte finden könnten."

Die Innenminister der Unions-geführten Länder legten nach Beratungen in Wiesbaden einen Zehn-Punkte-Katalog zum Jugendstrafrecht vor. Darin enthalten sind bekannte Vorschläge wie der "Warnschussarrest" oder die Anhebung der Höchststrafe, nicht aber Erziehungscamps.