Menschenrechtskämpfer Rupert Neudeck im domradio über sein Leben und sein neues Buch

Nichts ist unmöglich

"Weder tollkühn, noch ängstlich" - mit dem Wappenspruch seiner Heimatstadt beginnt der Menschenrechtskämpfer Rupert Neudeck sein Buch "Abenteuer Menschlichkeit", in dem er seine Lebenserinnerungen niedergeschrieben hat. Im domradio spricht Neudeck über seine Erfahrungen, die Rolle der Familie und den Mut, seinen Zielen treu geblieben zu sein.

 (DR)

"Der Unterscheid zwischen Mut und Tollkühnheit ist zwar hauchdünn, aber er ist erkennbar", so Rupert Neudeck über seine Arbeit als Menschenrechtskämpfer. Dabei sei Tollkühnheit etwas, das man besser unterlassen solle. "Sie gefährdet die Aktion, andere Menschen und mich selbst. Mut dagegen brauchen wir bei dieser Arbeit ganz gewaltig."

Die Entscheidung zur humanitären Hilfe habe er 1979 beim Anblick vietnamesischer Bootsflüchtlinge gefällt, erklärt Neudeck. "Der Ertrinkende ist meiner Meinung nach das stärkste Bild für einen Menschen, der in Not ist. Und diese Bilder haben mich Tag und Nacht nicht mehr losgelassen. Da wusste ich, wir müssen etwas tun. Wie, wusste ich nicht."

"Neudeck, ich bin dabei!"
1979 gründete Rupert Neudeck mit Unterstützung des Schriftstellers Heinrich Böll das Komitee "Ein Schiff für Vietnam". Neudeck hatte den Schriftsteller in einem Brief gebeten, sich an der Aktion für Boots-Flüchtlinge zu beteiligen.

"Zwei Tage später kam sein Anruf und er sagte einen Satz, der die Gründungsurkunde für alles, was weiter daraus entstanden ist, war. Er sagte: "Neudeck, wir müssen das machen und ich bin dabei!"

Nicht einfach aber machbar
1982 wurde aus dem Komitee "Ein Schiff für Vietnam" die Hilfsorganisation  Komitee Cap Anamur/Deutsche Notärzte e. V.  Die Besatzung um Rupert Neudeck nahm insgesamt 10.375 vietnamesische Flüchtlinge auf und brachte sie nach Deutschland. Es folgten zahlreiche weitere Hilfseinsätze mit der Cap Anamur.

"Wer meint es wäre einfach, dem kann ich versichern, dass es das nicht ist. Große Taten auf dieser Welt sind nie einfach - aber sie sind dennoch machbar", so der Menschenrechtskämpfer. Doch die Haltung, die man dafür brauche, würde den Menschen heute nicht mehr beigebracht. "Es ist die Treue zu einer Sache, die Sturheit, eine Sache durchzuhalten auch wenn Ritter, Tod und Teufel dagegen sind. Die Botschaft an die Bürger heute lautet: es ist möglich!"

"Ein bisschen verrückt sein"
"Ohne Christel wäre nichts gelaufen, wäre das alles nicht möglich gewesen", so Neudeck über seine Frau. Auch die Kinder hätten dabei eine große Rolle gespielt, erklärt er, und spricht von einem "unglaublichen Halt".

"Das ist eigentlich auch eine gute Familiengeschichte", sagt der vierfache Vater. Neben der Aktion "Cap Anamur" hat sich das Ehepaar Neudeck zusätzlich um seine vier Kinder gekümmert. "Da heißt es von außen immer 'Das geht doch gar nicht'. Die Leute haben uns für verrückt gehalten. Aber manchmal muss man einfach ein bisschen verrückt sein in dieser Welt."

Das Ziel immer im Auge
Cap Anamur setzte sich in den späten achtziger Jahren schließlich zu Lande fort. In insgesamt 30 Ländern der Erde führte das Komitee Cap Anamur/Deutsche Notärzte e. V.  Hilfsaktionen durch.  "Wir waren immer da, wo Menschen ganz besonders in Not waren, im ländlichen Raum, wo man schlecht hinkam - genau da war unser Platz", betont Neudeck.

Im April 2003 wurde Neudeck zum Mitbegründer und Vorsitzenden des internationalen Friedenskorps Grünhelme e.V., einem Verein, in dem christliche und muslimische Jugendliche Entwicklungshilfe gemeinsam leisten. Im Jahr 2008 will der Verein in Tschetschenien gegen die Versklavung kämpfen.

"Wir sind schon öfter in Gebieten gewesen, die nicht sicher waren", so Neudeck. "Wenn klar ist, dass dort Menschen in Not sind, darf man sich von seinen Zielen niemals abwenden - man muss sie bewahren, um sie durchzusetzen."

Das autobiografische Werk des Menschenrechtskämpfer Rupert Neudeck "Abenteuer Menschlichkeit" ist im Kiepenheuer&Witsch-Verlag erschienen und kostet 18,90EUR.