Kirchenkritik oder Unterhaltung? - Diskussion zum Filmstart in Deutschland

"Der Goldene Kompass"

Der Kinofilm "Der Goldene Kompass" zieht alle Register des Genres Fantasy: Die Zuschauer begegnen einem arktischen "Panzerbären" namens Iorek Byrnison, der Hexenkönigin Serafina Pekkala sowie Menschen und Dämonen, die im Clinch liegen mit dem "Magisterium", einer machtbesessenen religiösen Institution. Für konservative US-Christen ist die Story aus weltanschaulichen Gründen nicht unbedenklich. Weniger kritisch sieht der anglikanischen Erzbischof Rowan Williams den Film.

 (DR)

Die Kritik in den USA zielt vor allem auf Philip Pullman, den britischen Autor der religionskritischen Roman-Trilogie, die dem Film zugrunde liegt. Pullman sei bekennender Atheist und seine negative Darstellung des Magisteriums sei ein schwach kaschierter Großangriff auf das Christentum, besonders auf die katholische Kirche, beschwerte sich der US-Verband "Katholische Liga". Man solle den Film daher boykottieren. "Ketzerisch" sei "Der Goldene Kompass", erklärte Adam Holz, Filmexperte des evangelikalen Verbandes "Focus on the Family".

Ab 6. Dezember können auch deutsche Kinobesucher miterleben, wie die zwölfjährige Lyra Belacqua (Dakota Blue Richards) dank ihres wahrsagenden goldenen Kompasses zu einer Schlüsselfigur wird in dem epischen Kampf gegen das Magisterium, das nicht einmal vor medizinischen Experimenten an Kindern zurückschreckt. Regie führte Chris Weitz. Nicole Kidman und James-Bond-Darsteller Daniel Craig spielen die Hauptrollen.

Fantasietrilogie in den USA Millionen Leser
Der Film ist Teil Eins von Pullmans Fantasietrilogie über Lyras Kampf. Der ursprünglich als Jugendbuch vermarktete Teil "Der Goldene Kompass" und die folgenden Bücher "Das Magische Messer" und "Das Bernsteinteleskop" haben zahlreiche Preise und Auszeichnungen erhalten - und in Großbritannien und in den USA Millionen Leserinnen und Leser aller Altersgruppen gefunden.

Die rebellische und neugierige Lyra wächst weitgehend unbeaufsichtigt ohne Eltern unter der Obhut der Professoren einer britischen Universität auf. In Pullmans Parallelwelt lebt man fast so wie in der realen Welt, aber eben nur fast: Jeder Mensch wird von einem Tier begleitet, einem sogenannten "Dämonen", der die Seele des Menschen repräsentiert, und diesem lebenslang beisteht.

Lyras Welt zerbricht, als immer mehr Kinder und auch ihr bester Freund Roger verschleppt werden - Gerüchten zufolge zu Menschenversuchen in ein Forschungslabor im hohen Norden. Das Mädchen macht sich auf, Roger zu retten, findet ihren Vater, und entdeckt mit Hilfe der Hexen und anderer fabelhafter Kreaturen, dass das Magisterium an Kindern experimentiert, um die "Sünde" auszumerzen.

Wie die Geschichte zu Ende geht, erfährt der Kinogänger freilich noch nicht im "Goldenen Kompass". Aber man ahnt: So deutlich und einfach wie bei der Serie "Der Herr der Ringe", mit dem der "Goldene Kompass" oft verglichen wird, dürfte es bei Lyras Kampf nicht ausgehen.
Im Vergleich zur Romanvorlage musste auch bei diesem Film gekürzt werden. Dabei vielen unter anderm die Passagen aus Pullmans Trilogie heraus, die von Kritikern als antireligiös bezeichnet wurden.

Atheist Pullmann
Pullman hat in zahlreichen Interviews und Artikeln keinen Hehl aus seinem Atheismus und seiner Kritik an Religionen gemacht. Diese vertrösteten die Menschen nur auf ein Leben nach dem Tod, so der Autor. Alle monotheistischen Religionen hätten Andersgläubige verfolgt. Am besten sei Religion, wenn sie "weit entfernt ist von der politischen Macht".

Man könne ihm aber nicht vorwerfen, Leser zum Atheismus "bekehren" zu wollen, sagte Pullman kürzlich. Er sei Geschichtenerzähler, und ihm sei klar, dass Kinder keine Bücher lesen, in denen gepredigt wird. Er schreibe, um zu unterhalten und Menschen vielleicht zum Nachdenken zu bringen.

"Der Goldene Kompass" wurde bereits 2003 im Nationaltheater in London aufgeführt. Und schon damals gab es Kritik. In Schutz genommen wurde Pullman damals vom anglikanischen Erzbischof Rowan Williams, der sich offenbar nicht angegriffen fühlte. Dem Magisterium in "Der Goldene Kompass" gehe es einzig und allein um Kontrolle, sagte Williams. Das sei nicht seine Kirche.