Venezuela nach der Wahl: Experte erwartet im domradio Neuwahlen - Kirche fürchtet Gewalt

"Chávez wird nicht aufgeben"

Damit haben wohl die wenigsten gerechnet: In Venezuela ist die Verfassungsreform von Präsident Hugo Chávez bei einem Referendum am Wochenende knapp gescheitert. Chávez zeigte sich anschließend als guter Verlierer. Die Kirche fürchtet das Gegenteil. Und auch der Außenpolitik-Experte Günther Maihold erwartet im domradio-Interview, dass Chávez sich nicht geschlagen gibt und schon bald wieder Wahlen ausrufen wird.

 (DR)

Präsident Hugo Chavez hatte noch am Vorabend der Abstimmung verkündet, er wolle das Ergebnis respektieren, "wie auch immer es ausgeht".

Beobachter hatten genau daran vor der Abstimmung Zweifel geäußert. Sie entwarfen für den Fall eines "Neins" verschiedene Szenarien. Einige rechneten damit, dass der Präsident das Ergebnis zwar öffentlich respektiere, sich die radikalen Kräfte seiner Partei aber dagegen wenden würden. Andere befürchteten Krawalle, wieder andere, dass der Präsident sich weigert, sein Scheitern einzugestehen.

Zumindest am Tag des Referendums blieb es ruhig. "Der Prozess ging relativ gut über die Bühne, friedlich und zivil", sagte Kardinal Jorge Urosa Savino einem lokalen Radiosender. "Es gab einige Unregelmäßigkeiten, aber das venezolanische Volk war überwiegend besonnen". Wiederholt hatte die Kirche im Vorfeld dazu aufgerufen, zur Abstimmung zu gehen und sich dabei auf keine Provokationen einzulassen. Nun richtet sich die Sorge der Bischöfe vor allem auf zwei Fragen: Bleibt es bei dem Auszählungsergebnis? Und: Wird es Repressalien geben?

"Sie beschimpften und beleidigten uns"
Fanatiker hatten in den vergangenen Tagen schon einen Vorgeschmack gegeben: Im Hof einen Klosters von Kapuzinerinnen explodierte eine Bombe. Sie versprühte Nägel und Glassplitter, Fenster gingen zu Bruch. Die Chavez-Sympathisanten, die bei einer ihrer Kundgebungen auch am Schwesternhaus vorbeizogen, hatten aus ihrem Groll keinen Hehl gemacht. "Sie beschimpften und beleidigten uns. Ich konnte den Hass in ihren Augen sehen", erinnert sich Provinzoberin Schwester Arelys Martinez. Die herbeigerufene Polizei weigerte sich, zu intervenieren, so die Ordensfrau. "Wenn wir jetzt auf die Straße gehen, dann verfolgen sie uns, dann belästigen sie uns, dann bedrohen sie uns."

Schon jetzt wird nicht gerade glimpflich mit der Kirche umgegangen, die offen Kritik am geplanten Verfassungsentwurf äußerte. Immer wieder kommt es zu Beschimpfungen und verbalen Angriffen. Dabei sind auch Priester betroffen, die als Chavez-Sympathisanten gelten. Ende November traf es den Priester einer Gemeinde im Nordwesten Venezuelas. Jose Palmar, der in der Vergangenheit offen für den von Chavez vertretenen Sozialismus des 21. Jahrhunderts eingetreten war, schloss sich bei einem Gemeindeabend der bischöflichen Empfehlung an, mit Nein zu stimmen. Das brachte Chavisten derart auf, dass sie auf den Geistlichen losgingen und die Polizei einschreiten musste. Einer der Angreifer soll gedroht haben: "Wenn am Sonntag die Nein-Stimmen gewinnen, dann könnt ihr was erleben."

Ein hitziges Klima. Vergangene Woche goss Kommunikationsminister William Lara Öl ins Feuer, als er Priestern politische Agitation unterstellte. Nach den Zusammenstößen zwischen Gegnern und Anhängern von Chavez im Bundesstaat Carabobo sagte er, "die Kirche muss die moralische Verantwortung für die Ausschreitungen übernehmen". Der Erzbischof von Merida, Baltazar Enrique Porras Cardozo, weist solche Vorwürfe zurück. Es gehe darum, die Kirche zu verunglimpfen, sie frühzeitig als Sündenbock hinzustellen, sollte es zu Krawallen kommen.

Von Brigitte Schmitt (KNA)