ZdK-Treffen in Bonn - Ministerpräsident im domradio zur Familiendebatte

"Betreuungsgeld schafft Wahlfreiheit"

Hohe Vertreter des Zentralkomitees der Deutschen Katholiken (ZdK) haben eine "wirkliche Wahlfreiheit" für Eltern bei der Erziehung ihrer Kinder gefordert. Zum Thema äußerten sich am Freitag in Bonn vor der Herbstvollversammlung des obersten katholischen Laiengremiums in Deutschland ZdK-Präsident Hans Joachim Meyer und Thüringens Ministerpräsident und ZdK-Hauptausschuss-Mitglied Dieter Althaus. domradio-Chefredakteur Ingo Brüggenjürgen sprach mit Meier und Althaus am Rande der Vollversammlung.

 (DR)

Althaus betonte, er habe mit dem Betreuungsgeld in seinem Bundesland gute Erfahrungen gemacht. Hierdurch könne die Wahlfreiheit für Eltern gesichert werden. Dafür sei aber sowohl eine finanzielle Besserstellung der Familien als auch die Einrichtung von guten Kindertagesstätten notwendig.

Gleichzeitig warnte er vor einer Stigmatisierung jener Eltern, die eine Fremdbetreuung wählten: Familien die sich für eine "innere Erziehung" entscheiden seien "genauso wenig altmodisch, wie diejenigen die Fremdbetreuung organisieren sehr neumodisch sind, beides ist möglich und beides muss von der Gesellschaft artikuliert und unterstützt werden."

Im Freistaat Thüringen erhalten Eltern seit 2006 ein Betreuungsgeld für die Kindererziehung zu Hause. Damit ist Thüringen bisher das einzige Bundesland, in dem diese Regelung gilt. Sofern Eltern ihre Kinder zu Hause behalten, gibt es seit 1. Juli vergangenen Jahres pro Monat 150 Euro für das erste Kind, 200 Euro für das zweite, 250 Euro für das dritte und 300 Euro für das vierte und jedes weitere Kind zwischen dem zweiten und dem dritten Geburtstag. Das Einkommen der Eltern spielt dabei keine Rolle. Kritiker befürchten, dass mit den Zahlungen gerade diejenigen Kinder, die ohnehin schon benachteiligt sind, erneut zurückgesetzt würden.
Weiter plädierte Althaus für eine "Rückbesinnung des geistlichen in unserer Gesellschaft, denn wo sollen die Bindekräfte in unserer Gesellschaft herkommen, wenn nicht aus Familie, wenn nicht aus Glauben, wenn nicht aus den Überzeugungen, die uns auch Jahrhunderte geprägt haben." Deshalb sei das "Diskutieren wichtig, aber es ist auch wichtig, in der Gesellschaft deutlich zu machen, dass wir Christen eine Überzeugung haben, zu der wir stehen."

Versteckte Kritik an Mixa
In der Debatte um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf forderte auch ZdK-Präsident Meyer "wirkliche Wahlfreiheit" für Eltern. Er sprach sich zugleich dafür aus, die öffentlichen Anstrengungen zunächst auf den Ausbau der Kinderbetreuungsplätze zu konzentrieren. Deutschland habe dabei im europäischen Vergleich Nachholbedarf.

Ohne den Augsburger Bischof Walter Mixa zu erwähnen, kritisierte der ZdK-Chef "katholische Kreise", die ihre familienpolitischen Vorstellungen zum einzig möglichen christlichen Ideal "hochstilisieren". Leider gebe es im öffentlich-rechtlichen Fernsehen die Neigung, solche Auffassungen als authentisch katholisch zu präsentieren. Mixa hatte im Frühjahr für heftige Debatten gesorgt; damals erklärt er, wer mit staatlicher Förderung Mütter dazu verleite, ihre Kinder kurz nach der Geburt in staatliche Obhut zu geben, degradiere die Frau zur Gebärmaschine.

Recht der Muslime auf würdige Gotteshäuser
Im Streit um den Bau von Moscheen in Deutschland betonte Meyer  das Recht der Muslime auf würdige Gotteshäuser. Zugleich müssten die Moscheen sich aber in das "geschichtlich gewachsene Bild unserer Städte einfügen", so Meyer. Er appellierte an die Muslime in der Bundesrepublik, sich nachdrücklich für Religionsfreiheit von Christen in islamischen Ländern einzusetzen.  Zugleich sei es aber falsch, die Religionsfreiheit für Muslime in Deutschland davon abhängig zu machen, ob Christen in islamischen Ländern die gleiche Freizügigkeit genössen.

Der ZdK-Präsident plädierte für eine "langfristige Strategie aus Nüchternheit, Augenmaß und Grundsatztreue" bei der Integration. Die Muslime müssten sich einerseits zum freiheitlichen und demokratischen Rechtsstaat bekennen. Andererseits müsse die Gesellschaft ihnen Chancen zur Integration und Ausübung ihres Glaubens bieten.

Am Donnerstag hatte auch der Ministerpräsident von NRW, Jürgen Rüttgers, das Recht der Muslime auf Moscheenbauen betont.

Meyer: EU-Reformvertrag ist "Fortschritt durch die Hintertür"
Als "Fortschritt durch die Hintertür" bezeichnete Meyer die für den 13. Dezember geplante Unterzeichnung des europäischen Reformvertrags. Er bringe mehr Handlungsfähigkeit für das Parlament, eine höhere Verbindlichkeit der Menschenrechte und des sozialen Schutzes, ein Bekenntnis zum kulturellen, religiösen und humanistischen Erbe Europas sowie die Anerkennung des Status der Kirchen und Religionsgemeinschaften. Diese Regelungen müssten jetzt von den Christen mit Leben gefüllt werden.

Der ZdK-Chef bedauerte zugleich, dass der Versuch gescheitert sei, Europa eine Verfassung zu geben. "Was wir jetzt haben, ist ein bürgerfernes Instrument, das die Herzen nicht erreichen kann und auch nicht soll", so Meyer. Notwendig seien jetzt sichtbare Erfolge aus dem Reformwerk, um ein Scheitern Europas zu verhindern.

Stärkere Mitwirkung bei Bischofsbestellungen
Meyer erneuerte den Wunsch der katholischen Laien auf eine stärkere Mitwirkung bei Bischofsbestellungen. Er räumte zugleich ein, dass die in Deutschland gültigen Konkordate mit dem Vatikan sich in ihren Beteiligungsrechten vorteilhaft von den kirchenrechtlichen Bestimmungen in anderen Teilen der Weltkirche unterschieden und deshalb nicht zur Debatte gestellt werden sollten.

Das ZdK hatte Anfang November ein Memorandum verabschiedet, das Mitwirkungsmöglichkeiten der Gläubigen im Rahmen der geltenden Regelungen vorschlägt, etwa die Beteiligung der Diözesan-Gremien an einem Kriterienkatalog für die Kandidaten oder die Befragung einzelner Laienvertreter. Zuvor erhobene und über die Konkordate hinausgehende Forderungen wurden zurückgezogen.

Was ist das Zentralkomitee der deutschen Katholiken?
Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) vertritt die katholischen Laien bei der gesellschaftlichen Meinungsbildung.
Zudem berät es die Deutsche Bischofskonferenz und bringt katholische Interessen auf internationaler Ebene ein. Das ZdK ging aus dem 1868 gebildeten Zentralkomitee zur Vorbereitung der Deutschen Katholikentage hervor und ist auch heute noch für die Planung und Durchführung dieser Veranstaltungen verantwortlich.

Organe des ZdK sind neben der Vollversammlung der Präsident, das Präsidium und der Hauptausschuss. Für zehn Sachbereiche gibt es Sprecher. Zur jährlich zwei Mal tagenden Vollversammlung gehören insgesamt 228 Delegierte, darunter je drei Laienvertreter der 27 Diözesen und drei Delegierte für die Militärseelsorge. 97 Mitglieder repräsentieren katholische Organisationen, Verbände und geistliche Gemeinschaften. Zudem sind 45 Personen des öffentlichen Lebens, die alle vier Jahre von der Vollversammlung gewählt werden, im ZdK. Am Freitag und Samstag findet die Herbstvollversammlung in Bonn statt.