Neuer Botschafter des Papstes in Deutschland eingetroffen - Große Aufgaben warten

"Von nun an fühle ich mich als Berliner"

Der neue Botschafter des Papstes ist in Deutschland eingetroffen. Erzbischof Jean-Claude Perisset (68) landete am Dienstag aus Rom kommend in Berlin und wurde vom Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Karl Lehmann, willkommen geheißen. Perisset bezeichnete es als Ehre, als Botschafter im Heimatland des Papstes tätig zu werden. Er wolle auch den Beziehungen zu den protestantischen Christen dienen.

 (DR)

Der gebürtige Schweizer betonte, er komme als Glaubender zu den Gläubigen in Deutschland, als Priester zu den Priestern, als Bischof zu den Bischöfen, "und von heute an fühle ich mich auch als Berliner". Er freue sich auf die Zusammenarbeit mit den deutschen Bischöfen im Dienste des Landes und der Kirche in Deutschland.

Lehmann sagte, die Kirche in Deutschland sei froh, dass das Amt des Apostolischen Nuntius so zügig wieder besetzt sei. Erzbischof Perisset sei mit 35 Jahren im Dienste des Heiligen Stuhls ein in vielen Ländern erfahrener Diplomat. Für Deutschland sei seine "sehr vielfältige große ökumenische Erfahrung" wichtig, zu der Kenntnisse sowohl der reformatorischen Kirchen als auch der orthodoxen Kirche zählten. Der Kardinal versprach dem neuen Nuntius Vertrauen und Unterstützung der Ortskirche.

Der Vatikan-Diplomat war bislang Apostolischer Nuntius in Rumänien. Er will sich am Sonntag in der Berliner Sankt-Hedwigs-Kathedrale den Katholiken in Deutschland vorstellen. Seine Tätigkeit als Botschafter beginnt offiziell mit der Übergabe des Akkreditierungsschreibens an Bundespräsident Horst Köhler. Ein Termin dafür steht nach Angaben des Bundespräsidialamtes noch nicht fest. Zur Begrüßung waren unter anderen der Berliner Kardinal Georg Sterzinsky, Bischofskonferenz-Sekretär Pater Hans Langendörfer und der Leiter des Katholischen Büros bei der Bundesregierung, Prälat Karl Jüsten, zum Flughafen gekommen. Neben Vertretern des Auswärtigen Amtes machte auch der Schweizer Botschafter in Deutschland, Christian Blickenstorfer, dem künftigen Doyen des Diplomatischen Korps seine Aufwartung.

Perisset landete in Berlin-Tegel aus Rom kommend, wo er in den vergangenen Tagen vorbereitende Gespräche im vatikanischen Staatssekretariat und in anderen Kurienbehörden geführt hatte.
Papst Benedikt XVI. empfing ihn in Audienz. Zu seinen ersten großen Aufgaben in Deutschland dürften die weiteren Vorbereitungen zur Ernennung neuer Bischöfe für München-Freising, Limburg und Speyer gehören.

Benedikt XVI. hatte Perisset am 15. Oktober zum Botschafter des Heiligen Stuhls für Deutschland ernannt und zugleich offiziell den Rücktritt des Vorgängers, Erzbischof Erwin Josef Ender (70), angenommen. Der neue Nuntius steht seit 35 Jahren in Diensten des Vatikan und gilt auch als Ökumene-Experte. Zwischen 1996 und 1998 war er Sekretär im vatikanischen Einheitsrat.

Perisset wurde am 13. April 1939 in Estavayer-le-Lac in der Diözese Lausanne-Genf-Freiburg geboren und 1964 im schweizerischen Freiburg zum Priester geweiht. Zunächst war er fünf Jahre Kaplan in Genf, bevor er 1970 an die Kurie in Rom ging. Von 1971 bis 1973 absolvierte er die Päpstliche Diplomaten-Akademie. 1973 promovierte er in Kirchenrecht an der Päpstlichen Gregoriana-Universität in Rom. Anschließend war er im diplomatischen Dienst des Heiligen Stuhls im Südlichen Afrika (1973-1976), in Peru (1976-1980), Frankreich (1980-1983), Pakistan (1983-1984) und Japan (1984-1986) tätig. Danach war er zwei Jahre lang beigeordneter Sekretär des Einheitsrates. 1998 ernannte Papst Johannes Paul II. ihn zum Nuntius in Rumänien.

Der neue Nuntius in Berlin muss einiges diskret bewegen
Viel Zeit wird dem neuen Apostolischen Nuntius in Deutschland nicht bleiben, um sich mit Schweizer Gründlichkeit an seinem neuen Arbeitsplatz zurechtzufinden: Schon bald wird sich der Botschafter des Papstes mit Personalentscheidungen befassen müssen, die für die katholische Kirche von großer Tragweite sind. Wenige Tage vor der Abreise aus Rom hat Papst Benedikt XVI. persönlich dem Diplomaten, der bislang in Rumänien Dienst tat, Instruktionen für die schwierigen deutschen Dossiers mitgegeben.

Ganz obenauf liegen die Bischofsernennungen, die unter Perissets Vorgänger Ender nicht mehr erledigt wurden. Diese Akten haben es in sich. Dazu gehört die Frage, wer in Limburg nach zwei eher "progressiven" Bischöfen den Hirtenstab übernehmen und das Bistum leiten soll, zu dem die experimentierfreudige Mainmetropole Frankfurt gehört. Noch spannender ist die Akte, die das Erzbistum München-Freising betrifft. Der künftige Erzbischof wird auch Kopf der "Freisinger Bischofskonferenz" sein. Es ist kein Geheimnis, dass Benedikt XVI., der den Münchner Bischofsstuhl einst selbst innehatte, dieser Personalentscheidung großes Gewicht beimisst und Herzblut einfließen lassen wird. Doch es ist nicht nur die persönliche Bindung des Papstes, die "München" so bedeutsam macht. Es geht auch um eine Entscheidung mit Signalcharakter für die gesamte Deutsche Bischofskonferenz.

Die Nachfolgeregelung für Kardinal Friedrich Wetter gibt eine Vorahnung auf den mittelfristig absehbaren Abschiedsreigen von Kardinälen, die jeder auf seine Weise seit Jahrzehnten das Gesicht der katholischen Kirche in Deutschland prägen: Nach Wetter, dessen Nachfolgeregelung eine der ersten Amtshandlungen des neuen Nuntius sein wird, erreichen in den kommenden Jahren auch die Kardinäle Joachim Meisner (2008), Georg Sterzinsky und der Konferenz-Vorsitzende Karl Lehmann (beide 2011) das bischöfliche Rücktrittsalter. Und so kann der Nuntius, der erst
2014 das 75. Lebensjahr vollendet, schon heute absehen, dass sein Nachfolger eine veränderte Bischofskonferenz vorfinden wird: mit neuen Kardinälen und mit großen Herausforderungen, deren Konturen sich jetzt schon abzeichnen.

Katholische Identität
Und die haben ebenso viel mit der Selbstfindung der katholischen Kirche wie mit ihren Außenverhältnissen zu tun. Das beginnt mit der "Ökumene der Profile", jener Selbstvergewisserung der Protestanten, die beinahe spiegelbildlich verbunden ist mit einer Rückbesinnung der Katholiken auf ihre kirchliche Identität - von der Liturgie bis hin zum Verständnis der Sakramente und des kirchlichen Amtes. Die zunächst eher oberflächliche Neuorientierung an "ihrem" deutschen Papst dürfte jedenfalls nicht das Ende dieser Entwicklung sein. Schon jetzt ist in katholischen Gemeinden zu beobachten, dass die von Konservativen oft beklagte "schleichende" Protestantisierung in der Liturgie und im Eucharistieverständnis sich auf dem Rückzug befindet.

In eine neue Phase eingetreten ist auch die Auseinandersetzung mit den anderen Religionen, insbesondere mit dem forscher auftretenden Islam. Die Moscheebau-Konflikte in immer mehr deutschen Großstädten unterstreichen das. Auch kirchenferne Christen stellen jetzt öfter als früher die Frage nach den christlichen Wurzeln ihrer Kultur und grenzen sich vom Islam ab.

Gleichzeitig hält aber der Trend zur Säkularisierung an. Bislang respektierte Regelungen oder Konventionen werden im vereinten Deutschland zusehends infrage gestellt. Auch die freundliche Sonderbehandlung der Kirchen durch den Staat, wie sie im deutschen Staatskirchenrecht festgeschrieben ist, wird immer weniger als Selbstverständlichkeit akzeptiert. Die Schärfe der Auseinandersetzung zwischen manchen Politikern und manchen Bischöfen in den vergangenen Monaten ist auch dafür ein Symptom und ein Warnsignal für die allmählich in den Herausforderungen der Berliner Republik ankommende Deutsche Bischofskonferenz.

Der Botschafter des Papstes hat in dieser Zeit des Übergangs die schwere Aufgabe, die nach Orientierung suchenden Bischöfe in Deutschland lenkend zu begleiten. Er muss ferner ein diskreter Transmissionsriemen zwischen Rom und Bonn (Sitz des Sekretariats der Deutschen Bischofskonferenz und des Zentralkomitees der deutschen Katholiken) sein und gleichzeitig in Berlin und in den Ländern wirkungsvoll die Interessen der Kirche gegenüber dem Staat vertreten. Solange der Papst ein Deutscher ist, hat Erzbischof Perisset bei seiner Aufgabe in Deutschland kräftigen Rückenwind aus Rom. Allerdings ist in dieser Sonderkonstellation sein persönlicher Gestaltungsspielraum auch auf besondere Weise begrenzt.