Amtsantritt: Neuer Nuntius in Deutschland

"Ich werde ihn vertreten"

In Berlin war er noch nie. Aber eine Vorstellung von der deutschen Hauptstadt hat er. "Es ist eine sehr große und weite Stadt, ein Kulturzentrum. Wie Paris für Frankreich", sagt Erzbischof Jean-Claude Perisset. Am Dienstag landet der 68-jährige Vatikan-Diplomat in Tegel und beginnt seinen Dienst als neuer Botschafter des Papstes in Deutschland.

 (DR)

Fließend Deutsch mit dem Tonfall des Westschweizers
Der Sohn einer Konditorenfamilie wurde als eines von fünf Kindern in Estavayer-le-Lac im französischsprachigen Teil des Schweizer Kantons Fribourg geboren. "Im Sommer gingen wir jeden Nachmittag, außer Sonntag, zum Neuenburgersee schwimmen", erinnert er sich an seine Kindheit - und nennt als Hobby noch heute das Schwimmen. Ein wenig Deutsch lernte er ab dem fünften Schuljahr. Bei den Benediktinern in Sarnen in der deutschsprachigen Innerschweiz absolvierte er 1959 das Abitur. Im Studium legte er nach. Heute parliert er fließend Deutsch mit dem Tonfall des Westschweizers.

So ganz typisch ist der Lebensweg Perissets für einen Vatikan-Botschafter nicht. Er war Gemeindepriester, Kirchenrichter und dann erst Diplomat. Fünf Jahren in der Pfarrseelsorge folgten zwei Jahre in römischen Kongregationen; danach ging er in den diplomatischen Dienst, nach Südafrika, Peru, Frankreich, Pakistan, Japan.

1986 kehrte Perisset für ein halbes Jahrzehnt ans Kirchengericht seiner Diözese Lausanne, Genf und Fribourg zurück. Wieder schlossen sich sieben Jahre in Rom an, dann kam die Entsendung nach Rumänien. Und die Kontinuität? "Als Priester", sagt er, "sind wir stets Diener und keine Herrscher. Je größer die Verantwortung ist, desto größer ist dieser Dienst. Nur wenn man sich daran ausrichtet, kann man etwas erreichen." Sein älterer Bruder Rene ist gleichfalls Priester, bis heute im Heimatdekanat von Estavayer tätig.

Bereit für Ökumene-Fragen
Für die ökumenischen Fragen, die die Arbeit im Land der Reformation mit sich bringt, fühlt sich der Schweizer "etwas vorbereitet" - nicht nur wegen einer Etappe im Päpstlichen Rat für die Einheit der Christen 1997. Schon in Kindertagen, erzählt Perisset, hatte er reformierte Freunde. Zu seiner Heimatdiözese gehört das calvinistisch geprägte Genf; dort begann er nach der Priesterweihe 1964 als Kaplan in der Zentralpfarrei Notre-Dame.
"Monat für Monat haben wir uns als katholische Priester mit reformierten Pastoren und Gläubigen beider Konfessionen getroffen", erzählt er.

Bis heute treffe er sich hier und da mit zwei Freunden aus dieser Zeit, mit denen er auch in Briefkontakt steht: der eine reformierter Pastor in der Schweiz, der andere anglikanischer Priester in England. "In Rumänien habe ich dann in den vergangenen zehn Jahren auch die Frömmigkeit und das Kirchenbild der Orthodoxie kennen- und schätzen gelernt." Und auch das Luthertum ist ihm nicht fremd: "Eine meiner Aufgaben im Einheitssekretariat 1997 war die Arbeit an der Gemeinsamen Erklärung über die Rechtfertigungslehre. Dort habe ich die Lutheraner schätzen gelernt."

"Ich werde ihn vertreten, nicht meine eigene Haltung"
Der Erzbischof, während des Zweiten Vatikanischen Konzils
(1962-1965) zum Priester geweiht, spricht mit Hochachtung von diesem großen Kirchentreffen. Trotzdem dürfe man die konziliare Epoche nicht überhöhen: Das Konzil habe die Lehre vertieft, aber nicht neu geschrieben. Und noch heute gelte es, diesen Schritt zu verwirklichen, "mit Enthusiasmus, aber auch mit Vernunft".

Zwei-, dreimal begegnete Perisset in den 1980er und 1990er Jahren dem Kurienkardinal Joseph Ratzinger. Bei einer Buchvorstellung lieferte der Deutsche den dogmatischen Part, der Schweizer den kirchenrechtlichen. Es sei eine Stärke des heutigen Papstes, in seinen Veröffentlichungen immer auch das Kirchenrecht im Blick gehabt zu haben, meint Perisset. Was bedeutet es nun, Botschafter des Papstes in dessen Heimatland zu werden? Der Nuntius spricht von einem Vertrauensbeweis, vor allem von großer Verantwortung: "Ich muss mich immer mehr im Einklang mit ihm fühlen und sein. Ich werde ihn vertreten, nicht meine eigene Haltung."

Von KNA-Redakteur Christoph Strack