Über ein Drittel weniger Fahrgäste am Kölner Hauptbahnhof - Immer weniger Verständnis für Streik

Kälte, Kaffee und Leere

Die große Anzeigetafel ist das Zentrum der Aufmerksamkeit an diesem Donnerstagvormittag: Reisende in der Halle des Kölner Hauptbahnhofs blicken auf das azurblau leuchtende Schaubild und hoffen, dass ihr Zug trotz des Lokführerstreiks vielleicht doch fährt. Eine Reportage vom Kölner Hauptbahnhof.

Autor/in:
Frank Bretschneider
 (DR)

Aber die Chancen sind gering: "Zug fällt aus" steht da überwiegend als Hinweis zu den vielen Verbindungen zu lesen. Wer etwas mehr Glück hat, muss nur Verspätungen in Kauf nehmen, die zwischen zehn Minuten und einer Stunde liegen können. Immerhin gibt es aber auch Züge, die planmäßig fahren.

Doch vor allem fällt auf: Im Hauptbahnhof von Nordrhein-Westfalens größter Stadt ist es deutlich leerer als sonst. Schließlich sind fast alle wichtigen Regionalbahnen ausgefallen, die üblicherweise von Zehntausenden Pendlern benutzt werden. Die sind nun zum großen Teil aufs Auto umgestiegen, weshalb auf den Autobahnen rund um Köln fast genauso viel Stillstand herrscht wie auf den Gleisen.

Um mehr als ein Drittel weniger Leute seien im Kölner Hauptbahnhof unterwegs, schätzt ein Bahn-Mitarbeiter an einem der Service-Points. Dort gibt es neben Auskünften zu den Zugverbindungen auch Gratis-Kaffee, der angesichts der frühwinterlichen Kälte stark nachgefragt wird. "Die Leute hier sind ganz entspannt. Keiner ist unhöflich", stellt der Bahn-Mann fest. Und außerdem: "Wir dachten, dass viel mehr Züge ausfallen."

Unterdessen wiederholt eine freundliche weibliche Ansagestimme in der Bahnhofshalle in regelmäßigen Abständen das, was natürlich ohnehin schon alle wissen: "Liebe Fahrgäste, bitten beachten sie: Aufgrund von Streiks ist der Zugverkehr beeinträchtigt. Wir bitten um ihr Verständnis." "Stark beeinträchtigt wäre ehrlicher", stellt ein Mann dazu fest. "Es geht doch fast gar nichts mehr".

So sind auch in Köln, dem Zentrum der rheinischen Gelassenheit, die Leute nicht alle gewillt, der Bitte der Bahn nachzukommen. "Ich habe kein Verständnis mehr. Langsam wird es nervig. Es wird Zeit, dass Bahnvorstand und Gewerkschaft zu Potte kommen", sagt eine genervte Frau, die von Koblenz nach Berlin will und bereits vier Stunden länger unterwegs ist als geplant.

Mit Beginn des größten Streiks in der Geschichte der Bahn, wo wirklich fast nichts mehr geht, ist auch das Verständnis für die Lokführer geringer geworden: "Die Gewerkschaft hat jahrelang geschlafen und verlangt jetzt für die Lokführer 30 Prozent mehr an einem Stück. Ist doch klar, dass die Bahn darauf nicht eingehen wird", erbost sich ein älterer Mann. "Lkw-Fahrer haben doch noch mehr Stress und verdienen genauso schlecht", meint ein anderer.

Auch die Geschäfte im Bahnhof, die von den Reisenden leben, merken das Fernbleiben der Bahnkunden: "Für uns ist das ganz schlecht", sagt der Verkäufer in einem Zeitungskiosk. "Wir haben bisher deutlich weniger Umsatz gemacht als sonst", bedauert auch die Mitarbeiterin einer Bäckerei. "Es kommen einfach viel weniger Kunden als sonst." Für die Lokführer hat sie kein Verständnis: "Würde ich 30 Prozent mehr Geld fordern", sagt sie mit rheinischer Direktheit, "würde mein Chef denken, ich hätte sie nicht mehr alle."