Argentinien: Lebenslang für Priester

Komplize der Diktatur

Erstmals wurde in Argentinien ein katholischer Priester wegen der Beteiligung an Verbrechen während der Militärdiktatur verurteilt. Zu Recht, sagt Thomas Wieland von ADVENIAT im domradio-Interview. Erinnert aber auch: "Nicht alle Geistlichen haben damals Schuld auf sich geladen."

 (DR)

Folter, Entführung und Mord
Der deutschstämmige Polizeikaplan Christian von Wernich muss nun eine lebenslange Haftstrafe antreten. Die Richter sahen als erwiesen an, dass der Priester während der Militärdiktatur (1976-1983) an Folter, 42 Entführungen und 7 Morden beteiligt gewesen sei. Damit wurde in dem südamerikanischen Land erstmals ein Geistlicher wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit schuldig gesprochen. Menschenrechtsorganisationen, Folteropfer und Angehörige feierten das Urteil als wichtigen Schritt hin zu mehr Gerechtigkeit.

Von Wernich hatte noch kurz vor der Urteilsverkündung alle Vorwürfe zurückgewiesen. Man müsse den Frieden durch Versöhnung gewinnen, hatte er gefordert und Zeugenaussagen für falsch erklärt. Seine Verteidiger machten geltend, er habe als Militärpfarrer seine seelsorgerische Arbeit getan und spirituelle Hilfe geleistet.

Militärdiktatur religiös gerechtfertigt
Nach Aussagen von Überlebenden unterzog von Wernich die Opfer psychologischer und moralischer Folter. Zudem soll der Priester das Handeln der Militärs während der Diktatur religiös gerechtfertigt und versucht haben, von Gefangenen Informationen zu erpressen. Die Untersuchungen gegen den 69-Jährigen laufen seit 2003. Damals war er im Nachbarland Chile entdeckt worden, wo er unter falscher Identität als Priester lebte.

Die Argentinische Bischofskonferenz betonte am Abend in einer Erklärung, von Wernichs trage persönlich Verantwortung für sein Handeln. Man sei erschüttert, dass ein Priester laut Urteil an solch schlimmen Delikten teilhabe. Sie rief zur Überwindung von Hass auf.

Verhalten der Kirche in der Kritik
Der Prozess gegen von Wernich hatte auch zu einer öffentlichen Diskussion über die Rolle der katholischen Kirche während des Militärregimes geführt. Mehrere Priester hatten in der Vergangenheit das Verhalten der Kirche kritisiert. Die Kirche habe nicht getötet, aber auch nicht gerettet, fasste ein Priester, der vor Gericht aussagte, die Haltung der Kirchenleitung zusammen. Die Bischofskonferenz teilte daraufhin mit, die Kirche habe sich 2000 öffentlich für ihre Rolle während des Regimes entschuldigt.

Mehr als 120 Zeugen waren aufgerufen in dem Verfahren auszusagen. Die Staatsanwaltschaft ordnete besondere Schutzmaßnahmen an, da aussagewillige Folteropfer in der Vergangenheit Drohungen erhalten hatten. Auch ist einer der Hauptzeugen bisheriger Prozesse, Julio Lopez, seit mehr als einem Jahr spurlos verschwunden. Seine Aussagen hatten dazu geführt, dass der frühere Polizeichef von Buenos Aires, Miguel Etchecolatz, wegen Menschenrechtsverletzungen verurteilt werden konnte.

Seit Annullierung der Amnestiegesetze 2005 wurden bisher erst zwei Angeklagte wegen Menschenrechtsverletzungen schuldig gesprochen. Nach Informationen von Menschenrechtsorganisationen fielen etwa 30.000 Menschen dem Militärregime zum Opfer.