Widerstand gegen Bahn-Privatisierung - Tiefensee trifft Länder-Kollegen

"Volksvermögen nicht verschleudern"

Bundesverkehrsminister Tiefensee trifft am Dienstag die Verkehrsminister der Länder in Merseburg. Die Minister diskutieren mit dem Tiefensee die Pläne zur Teilprivatisierung der Bahn. Im Vorfeld der Konferenz hatte Tiefensee angekündigt, nur noch stark frequentierte Bahnhöfe und Strecken mit Bundesmitteln zu unterstützen. Damit hat der Bundesverkehrsminister die Angst seiner Kollegen in den Ländern vor Streckenschließungen bestätigt.

 (DR)

Nach einem Bericht in der FTD plant Verkehrsminister Tiefensee, Bahnhöfe mit weniger als 1000 Ein- und Ausstiegen täglich nicht mehr aufwändig zu modernisieren. "Verbesserungs- und Ausbaumaßnahmen für den Schienenpersonennahverkehr, deren Umsetzung volkswirtschaftlich nicht zu vertreten ist, sind zu unterlassen", zitiert die FTD aus der Anlage zur sogenannten Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung. Auch Bahnhöfe "mit aufwendigen Bahnsteigen" und barrierefreien Zugängen sollen laut der Zeitung nicht mehr gefördert werden, wenn sie weniger als 1000 Ein- und Ausstiege pro Werktag haben. Das gleiche gilt für alle Strecken mit weniger als 1000 Reisenden-Kilometern am Tag. In Sachsen-Anhalt wären das 53 Prozent der Bahnhöfe, kommentierte der Landesverkehrsminister die Pläne Tiefensees.

„Damit würden sich Befürchtungen realisieren, dass weite Regionen, insbesondere im ländlichen Raum, vom Bahnverkehr abgeschnitten werden, vor allem im Rahmen der geplanten Bahnprivatisierung", erklärte Dr. Gerd Landsberg vom Deutschen Städte- und Gemeindebund.

Staat muss Infrastruktur sicherstellen
Die betriebswirtschaftlichen Begründungen für die Einsparungen würden den grundgesetzlichen Sicherstellungsauftrag der Bahndienste verkennen. „Bei dieser Daseinsvorsorge geht es gerade darum, auch in solchen Regionen Verkehrsverbindungen anzubieten, die sich nach einer reinen Marktbetrachtung nicht rechnen", so Landsberg.

Der Deutsche Städte- und Gemeindebund fordert, dass der Bund vor einer Entscheidung über die weitere Privatisierung der Bahn die Leistungs- und Finanzierungsvereinbarungen vorlegt und mit den betroffenen Städten und Gemeinden abstimmt. "Wir fordern den Gesetzgeber dazu auf, bei der Privatisierung klar zwischen dem Eigentum an der Eisenbahninfrastruktur und den Eisenbahnverkehrsunternehmen zu trennen. Die Infrastruktur gehört in öffentliche Hand. Und die öffentliche Hand muss bestimmen können, was damit geschieht."

Verbraucherschützer gegen Privatisierung
Auch Verbraucherschützer und Gewerkschaften warnen vor den Plänen der Bundesregierung zur Teilprivatisierung der Bahn. Sie forderten die Bundestagsabgeordneten und die Bundesländer auf, den Kabinettsentwurf abzulehnen. Beide Organisationen warnen vor einer "Verschleuderung von Volksvermögen". Statt im parlamentarischen Verfahren "den faulen Gesetzentwurf durchzupeitschen", müsse das Thema noch einmal von Grund auf neu aufgerollt werden.

Allein in den nächsten 15 Jahren würden die Pläne den Steuerzahler mehr als 52 Milliarden Euro kosten, erläuterte Vorstand der Verbraucherzentralen, Gerd Billen. Zudem werde sich die Bahnanbindung von Städten und Gemeinden "dramatisch verschlechtern". Rund 10 000 Kilometer Streckennetz seien gefährdet. Zudem befürchtet der Verbraucherschützer höhere Fahrpreise, weniger Wettbewerb und schlechteren Service. Zudem seien Arbeitsplätze und die Zukunftsfähigkeit der Bahn gefährdet, fügte DGB-Vorstandsmitglied Claus Matecki hinzu. Billen und Matecki wiesen zudem auf die Ablehnung in der Bevölkerung und die "massiven Bedenken" von Verfassungsrechtlern, Verbänden, Ländern und Experten hin.

Kabinettsentwurf verabschiedet
Das Bundeskabinett hatte Ende Juli den Gesetzentwurf von Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) zur Teilprivatisierung verabschiedet. Bundestag und Bundesrat müssen noch zustimmen. Dem Entwurf zufolge will sich der Bund frühestens Ende 2008 von maximal 49 Prozent seiner Anteile trennen. Die Bahn soll als wirtschaftlicher Eigentümer das Netz zunächst für 15 Jahre bewirtschaften und bilanzieren dürfen. Juristischer Eigentümer soll weiter der Bund bleiben. Nach 15 Jahren muss der Bundestag die Übertragung des Netzes an die Bahn verlängern.

Bund und Bahn verweisen als Begründung für die Pläne vor allem auf den zu erwartenden enormen Finanzbedarf des Konzerns in den kommenden Jahren. Das Geld wird ebenso zur internationalen Expansion als auch zur Instandhaltung der Infrastruktur, wie Schienen, Brücken und Züge, benötigt.