Köln: Meisner übergibt restaurierte Schriftrolle

Als der Pfarrer die Thora rettete

Hunderte SA-Leute und Gaffer sahen zu, als die Synagoge in der Kölner Glockengasse im November 1938 brannte. Nur einer war mutig: der katholische Priester Gustav Meinertz. Er rannte ins Gebäude und rettete die Thora. Nun erhält die jüdische Gemeinde die Rolle restauriert zurück.

 (DR)

"Musterbeispiel für Zivilcourage"
"Hier wird nicht nur die Bibel der Juden zerstört, sondern auch die Bibel der Christen. Es ist die gleiche, nämlich das Alte Testament", soll der Geistliche, der noch 1939 ein Buch über Israel veröffentlichte, gesagt haben. Am 9. November dieses Jahres erhält die Gemeinde die Rolle voll restauriert zurück, wie Rabbiner Netanel Teitelbaum am Montag voller Vorfreude ankündigte. "Dann kommt sie wieder jede Woche zum Einsatz."

An die Ereignisse während der Novemberpogrome erinnerte sich der Sohn des letzten Rabbiners der Synagoge im Stadtteil Deutz, Ernst Simons (1919-2006), mit den Worten: "Meine Mutter rief mich an und erzählte mir unter Tränen von der bewundernswerten Tat". Trotz "Hunderter johlender Menschen" habe der damals 65-jährige Geistliche, der in den 50er Jahren den Titel Prälat erhielt, die einzige Thora der Gemeinde für die Nachwelt gerettet. "Die Tat des Prälaten ist ein Musterbeispiel für Zivilcourage", sagt heute Abraham Lehrer vom Gemeindevorstand. Dennoch war das Stück, das die ersten fünf Bücher der Bibel enthält, nach dem Krieg kaum noch zu lesen und für den Gottesdienst unbrauchbar.

Jahrzehntelange blieb der Gemeinde, die nach dem Krieg noch 50 Mitglieder zählte und heute wieder auf 5.000 angewachsen ist, nichts anderes übrig, als das zerstörte Stück lediglich bei Führungen durch die Synagoge zu präsentieren. Umso größer ist die Vorfreude auf den 9. November, wenn die frisch restaurierte Rolle - derzeit noch in Israel - in einer Feierstunde in der Synagoge an der Roonstraße wieder eingebracht wird. "Es wird ein Tag der Trauer und ein Tag der Freude", sagt Rabbiner Teitelbaum. Denn zunächst werde wie jedes Jahr der traurigen Ereignisse vom 9. November gedacht. Doch dann folge "das freudige Ritual" der Thora-Einweihung.

Übergabe durch Kardinal Meisner
Festlich geschmückt - im reich bestickten Thora-Mantel, mit Thora-Krone, Thora-Schild und Thora-Zeiger versehen - wird die Rolle während der Gedenkfeier in das Gotteshaus hineingetragen. Kardinal Joachim Meisner, dessen Erzdiözese die Restaurierungskosten von 12.000 Euro für die jüdische Gemeinde übernommen hat, wird dem Rabbiner die Schrift überreichen. Nach verschiedenen Ansprachen stimmt der Kantor Psalmengesänge an und trägt die Rolle dann in den heiligen Thoraschrank auf der Empore. Ab dann wird daraus wieder drei Mal pro Woche vorgelesen.

Zur Feierstunde hat sich hoher Besuch angekündigt: die Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) sowie die beiden israelischen Oberrabbiner Schlomo Moshe Amar und Yona Metzger. Dass das Erzbistum die Kosten übernimmt, die die Gemeinde nicht hätte tragen können, hat mit dem Weltjugendtag 2005 zu tun: Seit Papst Benedikt XVI. im Rahmen des Großereignisses die Synagoge besucht hat, sind die Bande zwischen Juden und Christen noch enger geworden, wie Teitelbaum und Werner Höbsch, Referatsleiter Interreligiöser Dialog im Erzbistum, betonen.

Der Kardinal habe "spontan" die Finanzierung zugesagt, so der Rabbiner. Er nimmt die Thora daher gerne aus den Händen des Erzbischofs entgegen: "Das ist ein besonderer symbolischer Akt im Dialog der Religionen", sagt er. "Er steht für das in Köln besonders warme christlich-jüdische Verhältnis."