Regierung will Frauen besser vor Gewalt schützen - Migrantinnen von Übergriffen überdurchschnittlich betroffen

Der Schrecken lauert in den eigenen vier Wänden

Die Bundesregierung will Frauen besser vor Gewalt schützen. Gewalt gegen Frauen sei kein Randproblem, sondern finde mitten in der Gesellschaft statt, sagte Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU) am Donnerstag in Berlin bei der Vorstellung eines von Bundeskabinett verabschiedeten Aktionsplans. Jede dritte Frau in Deutschland musste schon einmal Gewalt erleiden - in Regel häusliche. Erhöhten Handlungsbedarf sieht die Ressortchefin beim Schutz von Migrantinnen.

Autor/in:
Helmut Stoltenberg
 (DR)

Der Plan, der auf Erkenntnissen eines ersten Aktionsplans von 1999 aufbaut, umfasst 133 Maßnahmen gegen alle Formen von Gewalt an Frauen wie häusliche oder sexuelle Gewalt, Stalking, Frauenhandel, Zwangsverheiratung oder Genitalverstümmelung. Schwerpunkte sind der Schutz von Migrantinnen, die Sensibilisierung von Ärzten sowie eine bessere Prävention. Dabei zielten die Maßnahmen auf Ausbau und Vernetzung von Hilfsangeboten sowie eine verstärkte Zusammenarbeit staatlicher und nichtstaatlicher Stellen.

Von der Leyen verwies darauf, dass Frauen häufig Opfer von häuslicher Gewalt würden. Nach einer repräsentativen Studie von 2004 hätten 37 Prozent aller Frauen zwischen 16 und 85 Jahren mindestens einmal körperliche Gewalt oder Übergriffe erlebt und jede siebte Frau sexuelle Gewalt "in strafrechtlich relevanter Form". Jede vierte Frau sei mit Gewalt durch ihren Partner konfrontiert.

Davon betroffen sind der Ministerin zufolge in vielen Fällen auch Kinder. So hätten 60 Prozent der Frauen, die Gewalt erlebten, angegeben, dass zu diesem Zeitpunkt Kinder im Haushalt gewesen seien und "alles mit anhören mussten". 50 Prozent der Frauen sagten, dass die Kinder "alles mit angesehen" hätten, und in jedem vierten Fall seien sie in die Auseinandersetzung hineingezogen worden.

Erhöhten Handlungsbedarf sah die Ressortchefin beim Schutz von Migrantinnen. Studien zufolge seien Frauen türkischer oder osteuropäischer Herkunft "deutlich häufiger als der Durchschnitt der weiblichen deutschen Bevölkerung von körperlicher oder sexueller Gewalt betroffen". So hätten in der Gruppe der türkischen Frauen 46 Prozent körperliche Gewalt erlebt. Hier sehe der Aktionsplan II ein Maßnahmenbündel von Online-Beratungsangeboten bis hin zu spezifischen Integrationskursen vor.

Die Grünen-Parlamentarierin Irmingard Schewe-Gerigk kritisierte, die angekündigten Modellprojekte schützten Migrantinnen "nur sehr begrenzt". Sie warf der Regierung vor, das "dringend benötigte Rückkehrrecht für Migrantinnen, die zur Zwangsverheiratung ins Ausland verschleppt wurden", ebenso wenig umgesetzt zu haben wie eigenständige Aufenthaltsrechte für Frauen, "die sich aus einer Zwangsehe befreien wollen". Ein sicherer Aufenthalt sei aber "die Voraussetzung für alle anderen Maßnahmen".
Die Vorsitzende der Frauen-Union, Maria Böhmer (CDU), betonte derweil, die bei Migrantinnen bestehende Sprachbarriere verhinderte zu oft, dass sie die Schutzangebote in Anspruch nehmen. Deshalb sei der Erwerb einfacher Sprachkenntnisse unterlässlich.