Politiker und Verbände diskutieren über Konsequenzen aus der jüngsten OECD-Bildungsstudie

Deutschland will bessere Noten

Das deutsche Bildungssystem weist im internationalen Vergleich weiter erhebliche Defizite auf. Dies geht aus der neuen Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hervor, die am Dienstag in Berlin vorgestellt wurde. Danach ist Deutschland aufgrund des Akademikermangels derzeit nicht in der Lage, Ingenieure, die in den nächsten Jahren in Rente gehen, durch junge Absolventen zu ersetzen. Bei Pädagogen sei das Verhältnis zwischen Jungakademikern und aus dem Beruf Ausscheidenden noch ungünstiger.

Autor/in:
Martin Roy
 (DR)

Nach den schlechten Noten der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) für das deutsche Bildungssystem streiten Politiker und Verbände über die Konsequenzen. Die Vorsitzende des Bundestagsbildungsausschusses, Ulla Burchardt (SPD), forderte Bundesbildungsministerin Anette Schavan (CDU) am Mittwoch zum Handeln auf. Der Vorsitzende des Deutschen Lehrerverbandes, Josef Kraus, kritisierte die Studie als "ideologisch". Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) und der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) warnten vor den Folgen des Fachkräftemangels für die Wirtschaft.

Der OECD-Studie zufolge führt Deutschland mittlerweile einen deutlich geringeren Anteil eines Jahrgangs zu einem akademischen Abschluss als die OECD-Länder im Durchschnitt. Die Bundesrepublik ist demnach aufgrund des Akademikermangels derzeit nicht in der Lage, Ingenieure, die in den kommenden Jahren in Rente gehen, durch junge Absolventen zu ersetzen. Zudem ist in Deutschland das Erreichen eines Hochschulabschlusses nach wie vor stark abhängig von der sozialen Herkunft.

Burchardt sagte: "Es ist allerhöchste Zeit zum Handeln." Bürokratische Verfahren bei der Bewerbung um einen Studienplatz schreckten viele junge Menschen ab. "Frau Schavan wäre gut beraten, die Voraussetzungen für effiziente und transparente Zulassungsverfahren zu schaffen. Sie plant das genaue Gegenteil", sagte Burchardt. Gebraucht würden bundeseinheitliche Zulassungsbedingungen, festgelegt in einem neuen Hochschulrahmengesetz.

SPD-Bildungsexperte Ernst-Dieter Rossmann forderte einen nationalen Bildungspakt.

FDP-Bildungspolitikerin Cornelia Pieper mahnte: "Deutschland braucht mehr Ehrgeiz, und Leistung muss sich wieder lohnen, dann steigt auch die Lust unserer jungen Generation, sich in der Schule und danach mehr anzustrengen."

Kraus warf der OECD vor, international Abschlüsse zu vergleichen, die überhaupt nicht miteinander vergleichbar seien, zum Beispiel in Deutschland, Polen und der Slowakei. "Studieren ist nicht alles", sagte Kraus. Bayern, Baden-Württemberg, Österreich und die Schweiz hätten die höchste Wirtschaftskraft, aber die geringste Studierquote. Außerdem werde das deutsche "Duale System" der Berufsausbildung, das aus Lehre und Berufsschule besteht, "schlechter gemacht, als es ist". Er forderte die Bundesregierung auf, der OECD die Gelder zu sperren, wenn diese weiter "ideologische Studien" auf den Markt bringe.

DIHK-Chef Ludwig Georg Braun sagte: "Unser Ingenieurmangel wird sich in Zukunft weiter verstärken." Um das Problem des Fachkräftemangels kurzfristig zu mildern, helfe jedoch nur eine stärkere Öffnung des Arbeitsmarktes. Schon heute fehlten in der Bundesrepublik schätzungsweise 20 000 bis 40 000 Ingenieure.

DIHK-Hochschulexpertin Franziska Pankow forderte, auch die Hochschulen müssten etwas gegen die hohe Abbrecherquote von bis zu 40 Prozent in den Ingenieurwissenschaften tun. "Hier hapert es offensichtlich an der Betreuung der Studenten", sagte sie. In den Schulen sollte der naturwissenschaftliche Bereich gestärkt werden. "Wir schlagen die Einführung eines Faches 'Naturphänomene' für die Grundschulen vor", sagte Pankow. Zudem müssten zwei naturwissenschaftliche Fächer zum Pflichtkanon des Abiturs gehören.

Der BDI warnte vor gewaltigen Einkommensverlusten der Unternehmen. "Der deutschen Wirtschaft gingen allein durch die 48 000 nicht besetzten Ingenieurstellen im Jahr 2006 mindestens 3,5 Milliarden Euro an Wertschöpfung verloren", sagte BDI-Technologieexperte Heinrich Höfer. Die Naturwissenschaften müssten in der Bildung stärker zur Geltung kommen. "Gerade Mathematik ist ein Kernelement dafür, dass aus den Anfängern in sogenannten MINT-Studiengängen auch Absolventen werden", sagte Höfer und forderte eine Bildungsoffensive. "Das geht nur mit innovativen Strukturen. Autonomie und Wettbewerb von Schulen und Hochschulen sind unverzichtbar", sagte er. Die öffentlichen Finanzen müssten nach Leistung vergeben werden, und Schulen und Hochschulen über Anstellung und Bezahlung ihrer Lehrkräfte selbst entscheiden können.

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