MISEREOR kritisiert Arbeitsbedingungen in chinesischer Spielzeugindustrie

Doppeltes Gift

Der weltgrößte Spielwarenhersteller Mattel kommt aus den Negativschlagzeilen nicht heraus: Zum dritten Mal innerhalb weniger Wochen musste das US-Unternehmen in dieser Woche Spielwaren zurückrufen. Wieder waren Barbie und Co. bleiverseucht. Schlimm für deutsche Kinder - noch dramatischer für Arbeiterinnen und Arbeiter in China, klagt das katholische Hilfswerk MISEREOR. Und appelliert an den Verbraucher.

 (DR)

"Besonders schlimm wird es beim Weihnachtsgeschäft"
"Eltern und Großeltern müssen sicher sein, dass das Spielzeug, das sie ihren Kindern und Enkeln geben, ungefährlich ist", sagt Josef Sayer, Hauptgeschäftsführer des katholischen Hilfswerkes. Aber Misereor ist nicht allein um die Gesundheit der Kinder hierzulande besorgt. "Die giftigen Farben und Lacke, die die Gesundheit der Kinder in Europa und den USA gefährden, gefährden ebenso die meist jungen Arbeiterinnen in den Fabriken, in denen die Waren produziert werden", mahnt Josef Sayer. "Viele der Arbeiterinnen und Arbeiter in den Lackierereien, wo das Spielzeug angemalt wird, klagen über Magenschmerzen, Schwindelgefühl und Hautausschläge." Das sind die Erfahrungen aus langjährigen Kontakten zu Partnern in Hong Kong. Gemeinsam mit ihnen setzt sich das Hilfswerk seit Mitte der 90er Jahre für bessere Arbeitsbedingungen in der chinesischen Spielwarenindustrie ein.

Rund 10 000 Spielzeugfabriken gibt es in China, die meisten davon im boomenden Süden, in Shenzhen und Guangdong, an der Mündung des Pearl-Flusses. Die Arbeitsbedingungen sind katastrophal. "Besonders schlimm wird es, wenn für das Weihnachtsgeschäft in Europa, Japan und USA produziert wird", erläutert Josef Sayer. "Das ist etwa von Mai bis September. Dann sind Arbeitszeiten von 14 Stunden am Tag und mehr die Regel. Manchmal gibt es wochenlang nicht einen einzigen freien Tag. Oft wird der gesetzlich vorgeschriebene Mindestlohn noch unterschritten. Überstunden werden nicht bezahlt. Sozialversicherung und Mutterschutz sind mangelhaft oder fehlen ganz. Defekte Maschinen und elektrische Leitungen führen immer wieder zu schweren Unfällen und zu Bränden. Gewerkschaftliche Aktivitäten werden behindert. Das verletzt nicht nur internationale Menschenrechtsstandards, sondern häufig auch nationales chinesisches Recht."

"Nicht der eigenen Verantwortung entziehen"
Fast 60 Prozent der nach Deutschland eingeführten Spielwaren kommen aus China. "Hersteller und Handel können sich ihrer eigenen Verantwortung aber nicht entziehen", erläutert die Menschenrechtsreferentin MISEREORs, Elisabeth Strohscheidt. "Immer kürzere Lieferfristen werden den chinesischen Lieferanten abverlangt . Hinzu kommt ein enormer Preisdruck, der vor allem kleineren Lieferanten wenig Spielraum lässt, die Arbeitsbedingungen zu verbessern. Da sei es auch nicht verwunderlich, wenn Spielwarenhersteller in China auf billigste, aber gesundheitsbedenkliche Materialien zurückgreifen, um dem Kostendruck ihrer Auftraggeber stand zu halten."

So lange in Deutschland und anderswo "Geiz" als "geil" verkauft werde, ändere sich wenig, befürchtet Josef Sayer. "Denn Geiz ist nicht geil, sondern gefährlich und giftig - für die Kinder hier wie für die Arbeiterinnen in China."