Berlin: Größte deutsche Synagoge vor der Wiedereröffnung

Erinnerungen in Schwarz-Weiß

In der Synagoge im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg trägt dieser Tage niemand eine Kippa. Die traditionell für das Betreten eines jüdischen Gotteshauses vorgeschriebene Kopfbedeckung ist nicht notwendig, da das mehr als 100 Jahre alte Gebäude nach andauernder Sanierung noch nicht wieder geweiht ist. Erst am 31. August werden die Thorarollen in ihren Schrank eingebracht und das Haus damit feierlich für den Gottesdienst mit einem Rabbiner übergeben.

 (DR)

Bauen wie 1904
Mit der Wiedereinweihung von Deutschlands größter Synagoge - der Bau an der Oranienburger Straße im Stadtteil Mitte hat nur einen kleinen Sakralraum -, die 1903/04 gebaut wurde, beginnen in Berlin auch die diesjährigen Jüdischen Kulturtage.

Noch wird in der Synagoge im Hinterhof der Rykestraße 53 gehämmert, geschliffen und poliert. Vor der roten Klinkerfassade stehen kleine Baufahrzeuge. Im Innern des Gebäudes riecht es nach frisch geschliffenem Holz. Die Architekten Ruth Golan und Kay Zareh sanieren das Gebäude im Auftrag der Jüdischen Gemeinde zu Berlin.

"Wir haben das Haus in jahrelanger Arbeit etwa wieder so hergerichtet, wie es 1904 aussah", sagt Zareh. "Das war nicht einfach. Vom ursprünglichen Zustand der Synagoge war so gut wie nichts mehr zu sehen. Alles war einheitsbraun und weiß gestrichen, die eisernen Leuchter waren scheußlich golden lackiert", erinnert sich Zareh an seine ersten Eindrücke von der einzigen Synagoge Ost-Berlins Anfang der 90er Jahre.

Nur drei Schwarz-Weiß-Fotos zeugen von der Vergangenheit
Wie die Synagoge zu ihrer Einweihung am Vorabend des jüdischen Neujahrsfestes Rosh Hashana im Jahr 1904 aussah, davon zeugen heute nur noch drei Schwarz-Weiß-Fotos aus einer alten Broschüre. "Sie zeigten unter anderem einen Blick auf den Altar sowie eine Außenaufnahme des Hauses", erzählt Zareh. Mit diesen wenigen Quellen mussten die Architekten arbeiten. So wurde das Foto eines Fensters so weit vergrößert, dass es in einen neuen Rahmen hinter Glas gelegt werden konnte. Nach diesem Vorbild wurde ein Bleiriss gefertigt, der in das gegenüberliegende Fenster eingefügt wurde. So können Besucher heute das Ursprüngliche und das Nachempfundene miteinander vergleichen.

Wie Baumeister Johann Hoeniger das Gotteshaus einst farblich tatsächlich gestaltete, haben sich der Architekt und sein Team langsam erarbeiten müssen. Aus erhaltenen Fensterscheiben, aus den Analysen der Restauratoren und den Marmorsäulen am Altar schloss Zareh, dass die vorherrschenden Farben einst Grün und Rot gewesen sein müssen. In solchen Tönen wurden dann die Fenster im Erdgeschoss der Basilika gestaltet. "Für die Scheiben haben wir uns etwas Neues ausgedacht", erläutert der Architekt. Auf sieben Fenstern wird die biblische Erschaffung der Welt nach dem 1. Kapitel der Bibel - jeweils in Deutsch und Hebräisch - nacherzählt.

Dem Schabbat wurde ein besonders gestaltetes Fenstertrio am Aufgang zur Frauenempore gewidmet. Links und rechts wird es von Nachbildungen eines ägyptischen und eines spanischen Thoraschrankvorhangs hinter Glas geschmückt. Die Muster weiterer Fenster im Obergeschoss haben Golan und Zareh kurzerhand selbst entworfen - in Anlehnung an die Gestaltung noch vorhandener mehrfarbiger Scheiben.

Früher: Mehr Platz, dafür düster
Das Haus bot früher 2000 Plätze, nach der Sanierung sind es noch 1100. Wegen der guten Akustik können auch die Gottesdienstbesucher auf der Empore hören, was vor dem Altar gesagt wird. Zugleich sehen die Besucher dort aus der Nähe die restaurierten Fenster. "Zu Zeiten der DDR waren sie von steilen Dächern mit Betondachziegeln verdeckt, deshalb wirkte die Synagoge düster", berichtet der Architekt.

Zareh ist optimistisch, dass alle Handwerkerarbeiten bis zur Eröffnung der Synagoge beendet sein werden. Zufrieden dürfte er dann dennoch nicht sein. Die äußere Sanierung der Synagoge förderte der Berliner Senat mit 2,3 Millionen Euro, für die Restaurierung innen gab es weitere 3,1 Millionen Euro aus Lottomitteln, wie ein Sprecher der Senatskulturverwaltung sagte.

Dennoch konnte Zareh nicht alles verwirklichen, was er sich vorstellte. So hätte er gern noch alle Holzbänke und das Gestühl abbeizen und lasieren lassen. Auch Sockelleisten für die neuen, edlen Holzfußböden hätte er sich gewünscht. Um diese und andere Wünsche zu erfüllen, fehlen nach Einschätzung des Architekten noch rund 200 000 Euro.

Claudia Pietsch (ddp)