amnesty will neue Politik bei Abtreibungen beschließen - der Vatikan und Lebensschützer protestieren

Umstrittener Kurswechsel

Darf eine Organisation, die sich den Menschenrechten verschrieben hat, Abtreibungen unter bestimmten Voraussetzungen befürworten? Seit Jahren diskutiert amnesty international (ai) auf internationaler Ebene über diese, das eigene Selbstverständnis herausfordernde Frage. Am Freitag stellte amnesty seine neue Strategie vor - und stößt damit bei der Katholischen Kirche auf wenig Verständnis.

 (DR)

Kurswechsel als Teil einer amnesty-Kampagne
Im Frühjahr hatte das Internationale Exekutivkomitee von amnesty mit hohem Aufwand an Geheimniskrämerei eine neue Strategie zu diesem Thema verabschiedet. Ab Freitag will nun die Internationale Ratstagung, das höchste Gremium der weltweiten ai-Bewegung, im mexikanischen Morelos diesen Beschluss offiziell absegnen. Nach Einschätzung der Verantwortlichen für amnesty Deutschland ist es sehr unwahrscheinlich, dass die neue Position noch einmal infrage gestellt wird.

Der Kurswechsel ist Teil einer amnesty-Kampagne zum Thema Gewalt gegen Frauen. Dabei will die Menschenrechtsorganisation künftig weltweit dafür eintreten, dass Frauen, die abtreiben, von Strafe freigestellt werden. Zudem sollen Schwangere nach Vergewaltigung, Inzest und bei Lebensgefahr ein Recht auf Abtreibung haben. Darüber hinaus will sich amnesty für einen freien Zugang zu medizinischen Leistungen nach Schwangerschaftsabbrüchen einsetzen.

Ein generelles Recht auf Abtreibung werde nicht gefordert, betonte die Generalsekretärin der deutschen Sektion, Barbara Lochbihler, insbesondere an die Adresse der katholischen Kirche. Und der deutsche ai-Pressesprecher Dawid Bartelt unterstrich, dass amnesty den Staaten durchaus das Recht zuerkenne, Fristen und Grenzen für legale Abtreibungen zu setzen und Ärzte zu belangen, die sich über diese Regeln hinwegsetzten.

Bislang hat sich die Menschenrechtsorganisation dem Thema gegenüber neutral verhalten. Allerdings forderten in den vergangenen Jahren einzelne nationale Sektionen wie die kanadische ein Recht auf Abtreibung. Auch bei der Internationalen Ratstagung 2005 brachten Delegierte aus Entwicklungsländern unter Hinweis auf die massenhafte Vergewaltigung von Frauen in Kriegen und Bürgerkriegen einen Antrag für ein Recht auf Abtreibung ein.

Neuer Kurs - massive Proteste
Zu einer so radikalen Position ist amnesty dann doch nicht bereit. Dennoch hat der neue Kurs massive Proteste hervorgerufen. So warf der vatikanische Sozialminister, Kardinal Renato Raffaele Martino, ai vor, straffreie Schwangerschaftsabbrüche zu befürworten und damit den Schutz der Menschenrechte zu verraten.

Der Kurienkardinal forderte katholische Organisationen und Einzelpersonen auf, im Falle eines Kurswechsels die finanzielle Unterstützung der Menschenrechtsorganisation einzustellen. Beobachter befürchten nun, dass die bislang enge Zusammenarbeit von katholischen Menschenrechtsinitiativen und ai-Gruppen gefährdet werden könne.

Proteste gegen den neuen amnesty-Kurs gab es auch von deutschen Lebensschützern und Politikern. So warnte der CDU-Bundestagsabgeordnete Hubert Hüppe die Menschenrechtsorganisation davor, für Christen an Glaubwürdigkeit zu verlieren. "amnesty international kappt die Seile zu denen, die sich für unteilbare Menschenrechte für alle Menschen einsetzen", sagte er der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).