"Wort und Wissen" im Schwarzwald ist die größte kreationistische Gruppe in Deutschland

Schöpfungslehre im Namen des Herrn

Mitten im idyllischen Schwarzwald, zwischen Bergen, Wäldern, Wiesen und Kühen, lebt ein Mann, der sicher ist, dass all das, was ihn umgibt, innerhalb von sechs Tagen entstanden ist. Vor rund 10.000 Jahren, davon ist Reinhard Junker überzeugt, schuf Gott Himmel und Erde, Berge, Tiere und den Menschen. Im beschaulichen Örtchen Baiersbronn arbeitet der Geschäftsführer der bundesweit größten kreationistischen Gruppe "Wort und Wissen" an seiner biblischen Schöpfungslehre. Bei den christlichen Kirchen aber stößt er damit auf wenig Gegenliebe.

 (DR)

In den USA glaubt bereits jeder Zweite, dass Gott die Welt in sechs Tagen geschaffen hat. Diese Entwicklung beeinflusst nach Einschätzung des Weltanschauungsbeauftragten der württembergischen evangelischen Landeskirche, Hansjörg Hemminger, auch die Situation in Deutschland.
Er spricht von einem «gewissen Aufwind» für diejenigen, die die Schöpfung mit Hilfe der Bibel erklären wollen.

In diesen Rahmen gehört auch die Diskussion darüber, ob der biblische Schöpfungsglaube - freilich nicht der fundamentalistische Kreationismus - an staatlichen Schulen im Biologieunterricht behandelt werden soll. Dies hatte die hessische Kultusministerin Karin Wolff (CDU) ins Gespräch gebracht.

Der 51-Jährige Junker sieht sich selbst als Wissenschaftler, der im Namen des Herrn angetreten ist, mit Hilfe der Bibel zu erklären, wie die Welt entstanden ist. Dazu braucht Junker kein Labor und keine Experimente, sondern verfasst am heimischen Schreibtisch unzählige Aufsätze rund um die «biblische Schöpfungslehre». Mit seinen leicht verstrubbelten Haaren, dem höflichen und etwas schüchternen Lächeln und seiner sanften Stimme erinnert der gelernte Biologie- und Mathematiklehrer eher an einen zerstreuten Professor.

Die Kreationisten lehnen die Evolutionstheorie, nach der alle heute existierenden Lebewesen sich aus einfacheren Vorfahren entwickelt haben, ab. Sie glauben, dass alle Arten einzeln oder als «Grundtypen» von Gott geschaffen worden sind. Entstanden ist der Kreationismus Anfang des 20. Jahrhunderts in den USA, seit 1970 verbreitet er sich nach Einschätzung Hemmingers auch im deutschen Sprachraum.

Ja, die Erde ist an sechs Tagen erschaffen worden - nein, Mensch und Affe haben nicht die gleichen Vorfahren - nein, die Erde ist nicht älter als zehntausend Jahre, sicherlich sind deshalb Menschen und Dinosaurier gleichzeitig auf ihr herumspaziert - alle Fragen nach der Entstehung der Welt beantwortet Junker in der Sache bestimmt, aber immer freundlich lächelnd.

Schöpfung sei jedoch etwas, das wir wissenschaftlich nicht nachvollziehen können. Und so muss Junker zugeben, dass auch mit der Bibel nicht alle Fragen der Evolution beantwortet werden können und räumt beispielsweise ein, dass es Beweise dafür gebe, dass die Erde eben doch nicht nur ein paar Tausend Jahre alt ist, wie es seine kreationistischen Glaubensbrüder weltweit behaupten. «Aber wir sind von der Bibel her motiviert, eine andere Antwort zu finden», sagt er.
Diese Anstrengungen nennt er Wissenschaft.

Für den Weltanschauungsbeauftragten Hemminger ist der Kreationismus genau das eben nicht. Er spricht stattdessen von Täuschungsmanövern, von Tricks und Verdrehungen, die die Kreationisten nutzen, um die Welt in ihrem Sinne zu deuten. Mit Wissenschaft habe der Kreationismus nichts zu tun, sagt Hemminger. Die Bibel sei kein wissenschaftliches Lehrbuch, sondern Zeugnis des Glaubens.

Deshalb ist es nach Meinung der großen Kirchen in Deutschland durchaus möglich, an den christlichen Schöpfergott zu glauben und gleichzeitig die Evolutionstheorie für schlüssig zu halten. Junker aber will die «Evolution als Gesamtablauf», wie er sagt, nicht akzeptieren. «Die Bibel beschreibt wirkliche Ereignisse», davon lässt er sich nicht abbringen. Also versucht der ehemalige Pädagoge tapfer, Bibel und Wissenschaft in Einklang zu bringen. Für Hemminger ist das schlicht und einfach «Quacksalberei».