Pratibha Patil: Was kann sie gegen die Benachteiligung von Mädchen und Frauen bewirken?

Erste Frau in Indiens Präsidentenpalast

Seit heute hat Indien offiziell eine Präsidentin. Die Juristin Pratibha Patil ist als erstes weibliches Staatsoberhaupt des Landes vereidigt worden. Doch trotz dieses deutlichen Zeichens der Gleichberechtigung sind Frauen und Mädchen in der indischen Gesellschaft benachteiligt, oft dürfen sie gar nicht erst auf die Welt kommen. Rund 10.000 Mädchen sind nach Regierungsangaben in den vergangenen 20 Jahren von ihren Eltern ermordet worden. Benazir Lobo-Bader stammt selbst aus Indien und ist Ländersachbearbeiterin beim katholischen Hilfswerk "Misereor". Welche Folgen hat die Wahl?

 (DR)

In den Präsidentenpalast von Neu-Delhi zog am Mittwoch erstmals eine Frau ein. Die 72-jährige Pratibha Devi Singh Patil setzte sich bei der Wahl am Donnerstag gegen den bisherigen Vizepräsidenten Bhairon Singh Shekhawat durch. Wie die Wahlkommission am Samstag mitteilte, erreichte sie fast doppelt so viele Stimmen wie Shekhawat.

Seit 1962 auf der politischen Bühne
Patil war die Kandidatin der regierenden Kongress-Partei, sie bewegt sich seit 1962 auf der politischen Bühne. Ihr Konkurrent gehört der oppositionellen Hindu-Partei BJP an.

Patils Karriere begann in ihrem Heimatbundesstaat Maharashtra. Dort war sie von 1962 bis 1985 Abgeordnete im Regionalparlament und Ministerin für Bildung, Gesundheit, Sozialfürsorge, Wohnung und Tourismus. Ihrer Partei hielt sie stets unerschütterlich die Treue. Diese Loyalität trug ihr jetzt den Vorwurf ein, als Staatspräsidentin könne sie doch nur als "Marionette" der vom Kongress geführten Regierung handeln. Das Staatsoberhaupt in Indien hat vor allem repräsentative Funktionen.

Patil widersprach energisch - unter Hinweis auf die von ihr geschätzten Werte Demokratie, Gleichheit, soziale Gerechtigkeit und Trennung von Religion und Staat. Ihr soziales Engagement beeindruckt viele. Sie gründete Schulen für Mädchen, Jugendliche vom Land, Sehbehinderte und Nomadenkinder.

Als Gouverneurin des Bundesstaates Rajasthan erregte Patil Aufsehen. 2006 weigerte sie sich, ein Gesetz zu unterzeichnen, mit dem ein Religionswechsel verhindert werden sollte. Mit solchen Gesetzen versuchen Hindu-Fundamentalisten vor allem Übertritte zum Christentum, Buddhismus oder Islam zu unterbinden.

Anwältin der Frauen
Die studierte Juristin und Mutter zweier Kinder gilt als Anwältin der Frauen. Sie sprach sich wiederholt gegen die zwar gesetzlich verbotene, jedoch immer noch verbreitete Sitte überzogener Mitgiftforderungen aus, gegen die gezielte Abtreibung von weiblichen Föten und das Tragen des Schleiers. Das brachte der gläubigen Hindu harsche Kritik aus religiösen und konservativen Kreisen ein, die darin eine Bedrohung "kultureller Werte" Indiens sehen.

Die Opposition, allen voran die rechte, hindu-nationalistische Indische Volkspartei (BJP), attackierte die bescheiden wirkende Politikerin heftig. Patil habe kein Format und kein Profil, hieß es anfangs. Dann kamen schwerere Geschütze: Die Kandidatin sei verschuldet, bei einer von ihr gegründeten Bank für Frauen habe es finanzielle Unregelmäßigkeiten gegeben und schließlich habe sie ihren Bruder gegen einen Mordverdacht abgeschirmt.

Die BJP richtete sogar eine Anti-Patil-Website mit allen Anschuldigungen ein. Eingeschaltete Gerichte wiesen jedoch alle Vorwürfe als unbewiesene Behauptungen ab. Es schien die schlimmste Schmutzkampagne zu sein, die es je vor einer Präsidentenwahl in Indien gab. Patil versicherte während ihrer Wahltour mehrfach, sie stehe mit reinem Gewissen vor der Nation.