Schäuble: Die Sicherheitslage ist auch in Deutschland ernst

"Keine Spielchen"

Nach den Anschlägen von Großbritannien stellt sich auch Deutschland auf die neue Situation ein. Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Konrad Freiberg, warnte in einem Zeitungsinterview: "Auch Deutschland ist im Visier des islamistischen Terrorismus". Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble sieht keine personellen Verbindungen. Dennoch nutzt er die Gelegenheit, um erneut die Sicherheitsdebatte zu beleben.

 (DR)

Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) sieht nach den Anschlagsversuchen in Großbritannien keine neue Sicherheitseinschätzung für Deutschland. Schäuble sagte am Sonntag am Rande einer CDU-Vorstandssitzung in Berlin, es gebe bisher keinerlei Erkenntnisse, dass die Anschlagsvorbereitungen einen Bezug zu Deutschland hatten. Insofern gebe es auch keine veränderte Sicherheitslage für die Bundesrepublik.

Die Vorgänge in Großbritannien zeigten aber, dass die Warnungen aller Experten zutreffend seien. Der internationale Terrorismus sei sehr aktiv. Europa und damit auch Deutschland befänden sich im "Fadenkreuz" des Terrorismus. Die Bedrohungslage sei ernst. Dies sei keine Panikmache. Mit Blick auf seine Forderungen zur Verschärfung von Sicherheitsgesetzen betonte Schäuble, wer von erfundenen Übertreibungen spreche, müsse sehen, dass die Lage ernst sei, und es keinen Grund gebe für "die üblichen politischen Spiele".

Schäuble plädiert für eine verstärkte Video-Überwachung zentraler Punkte in Großstädten. Er verwies zugleich darauf, dass dafür die Polizei vor Ort zuständig sei. Auf Flughäfen und bei der Bahn, wo die Bundespolizei für die Sicherheit zuständig ist, gebe es die Video-Überwachung bereits. Das Entscheidende sei aber, in die Kommunikation der Terroristen einzudringen, um Anschläge verhindern zu können. "Andernfalls ist es zu spät", warnte Schäuble.

Polizei braucht mehr Personal
Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Konrad Freiberg, stellt sich auch in Deutschland auf ähnliche Anschläge wie jetzt in Großbritannien ein. In Deutschland lebten "etwa 100 Personen, die wir als Gefährder betrachten. Wir gehen davon aus, dass sie willens und in der Lage sind, Anschläge vorzubereiten und auszuführen", sagte Freiberg. Bisher seien aber keine personellen Verbindungen zu den Tätern in Großbritannien bekannt.

Freiberg warf der Bundesregierung vor, durch die Personaleinsparungen bei der Polizei die Gefahr von Anschlägen zu erhöhen: Um Gefährder rund um die Uhr überwachen zu können, würden man pro Person bis zu 20 Polizisten benötigen, erklärte Freiberg. Doch dazu fehle das Personal. "Ich halte das für verantwortungslos. Und ich bin mir sicher, dass sich das eines Tages rächen wird", fügte der Gewerkschaftsführer hinzu.

Bei den Anschlägen in Großbritannien geht es nach Einschätzung von Freiberg um "eine konzertierte Aktion islamistischer Terroristen." Es sei kein Zufall, dass Großbritannien ins Visier genommen werde. Großbritannien sei ein zentraler Akteur im Irak und in Afghanistan. "Das ideologische Ziel ist deutlich: Die Einheit der westlichen Welt im Kampf gegen den internationalen Terrorismus soll zerstört werden", sagte Freiberg.

Das Engagement Deutschlands in Afghanistan, "zuletzt mit der Entsendung der Tornados" habe auch "die Terrorgefahr hierzulande weiter erhöht".

Sicherheitsbestimmungen in Deutschland nicht verschärft
Nach den verhinderten Anschlägen in London und dem Autobombenattentat in Glasgow wird die Sicherheit an deutschen Flughäfen vorerst nicht weiter verschärft. Dies sagte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums der "Rheinischen Post" (Montagausgabe). Bestimmte Sicherheitsvorkehrungen seien bereits vor etwa 14 Tagen hochgefahren worden, nachdem ein Bedrohungsvideo bekannt geworden war. Auf diesem Stand sollten die Sicherheitsvorkehrungen bis auf weiteres bleiben. Die Videos, die zuerst der US-Sender ABC gezeigt hatte, richteten sich gegen Großbritannien, Deutschland, die USA und Kanada.