Spätabtreibungen sind nach wie vor umstritten - Sonntag Demonstration von Lebensschützern in Köln

"Oldenburger Baby" Tim wird zehn

Tim lebt: Am Freitag nächster Woche wird das "Oldenburger Baby"
zehn Jahre alt. Mit einer Menschenkette um den Kölner Dom will die "Aktion Lebensrecht für alle" an diesem Samstag seinen Geburtstag öffentlich feiern und gegen Spätabtreibungen demonstrieren. Im vergangenen Jahr wurden nach offiziellen Zahlen bundesweit 171 ungeborene Kinder nach der 23. Woche abgetrieben. Experten gehen davon aus, dass die Dunkelziffer weit höher ist.

 (DR)

Der Junge hielt sich nicht an den Plan: In der Nacht zum 6. Juli 1997 überlebte Tim seine Abtreibung. Ein Gynäkologe der Städtischen Kliniken Oldenburg hatte die Geburt in der Erwartung eingeleitet, das Kind werde entweder tot zur Welt kommen oder aber innerhalb kurzer Zeit sterben. Die 35-jährige Mutter war verzweifelt gewesen, als sie hörte, dass der Junge, den sie seit sechs Monaten in ihrem Bauch trug, den Gendefekt Trisomie 21 aufwies. Er ist auch als Down-Syndrom bekannt. Sie wollte dieses Kind nicht großziehen.

Das Frühchen, 690 Gramm leicht und 32 Zentimeter groß, kam zur Welt, wurde in Decken gewickelt und unversorgt zur Seite gelegt. Nach zehn Stunden begannen die Ärzte, sich um das Kind zu kümmern. Operation folgte auf Operation. Im November 1997 verklagten Tims Eltern die Klinikärzte auf Schadenersatz und Schmerzensgeld. Das Versprechen, die Schwangerschaft zum Zwecke der Tötung zu beenden, sei nicht gehalten worden.

Umgekehrt verklagte der CDU-Bundestagsabgeordnete Hubert Hüppe den Arzt wegen Körperverletzung, weil das Kind die ersten Stunden nach der Geburt nicht ausreichend medizinisch versorgt gewesen sei. Ohne Erfolg, denn die Oldenburger Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren mit der Begründung ein, dass der Abbruch den Vorschriften entsprochen habe. Der schwerst behinderte Junge wurde von Pflegeeltern in Obhut genommen.

Seit dem Oldenburger Fall flackert die Debatte über Spätabtreibungen in Deutschland immer wieder auf. Kirche, Ärzteverbände, Union sowie einige Politiker von SPD, FDP und Grünen halten die geltende Gesetzeslage für nicht tragbar. Diese erlaubt, dass Schwangerschaftsabbrüche auch nach der 23. Woche bis zur Geburt ohne Einhaltung von Fristen und ohne Beratung möglich sind, wenn das Leben der Mutter bedroht ist oder ihre körperliche oder seelische Gesundheit durch eine erwartete Behinderung des Kindes schwerwiegend beeinträchtigt wird.

Lebensrechtler, Hüppe und der Freiburger Strafrechtler Albin Eser fordern ein weit reichendes Verbot von Abtreibungen nach der 23. Woche. Im Koalitionsvertrag haben CDU/CSU und SPD vereinbart zu prüfen, wie die Zahl der Spätabtreibungen gesenkt werden kann. Dabei wollen Unionspolitiker ebenso wie katholische Verbände klarstellen, dass eine Behinderung allein kein Grund für eine Spätabtreibung sein darf. Außerdem will die Union zusätzliche verpflichtende Beratungsgespräche und eine Bedenkzeit von drei Tagen vor einer Spätabtreibung. SPD und Grüne sind allerdings eher zurückhaltend. Sie haben Angst davor, eine neue Generaldebatte über das Thema Abtreibungen loszutreten.