Nationaler Ethikrat tagte zum letzten Mal

Immer wieder Anlass für Kontroversen

Der Nationale Ethikrat hat sich am Donnerstag zu seiner letzten Arbeitssitzung getroffen. Dabei verabschiedete das Gremium den turnusmäßigen Bericht an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sowie eine Stellungnahme zum Thema Stammzellgesetz. Über den Sommer wird der neue Deutsche Ethikrat konkrete Gestalt annehmen und der Nationale Ethikrat der Geschichte angehören. Christoph Strack (KNA) mit einem Rückblick.

 (DR)

68 Mal kamen die Ethikräte seit dem 27. September 2001 im Plenum zusammen, über 30 Mal gab es Forumsveranstaltungen, Anhörungen, Jahrestagungen. Die Zahl der Arbeitsgruppensitzungen lässt sich kaum überblicken. Die 68. Plenumssitzung befasst sich - wieder einmal - mit Stammzellforschung. Sollte daraus erwartungsgemäß eine Stellungnahme erwachsen, passt sie in die aktuelle Debatte.

Und schließt einen Kreis. Die erste von nun elf Stellungnahmen befasste sich Ende 2001 mit dem Import menschlicher embryonaler Stammzellen. Kurz darauf regelte der Bundestag dieses heiß umstrittene Thema. Mit der Debatte darüber verbindet sich aber auch die umstrittene Entstehung des Gremiums. "Der Ethikrat hat immer unter den Umständen gelitten, unter denen er angestoßen worden ist", meint der Mainzer Moraltheologe Johannes Reiter, einer der kritischen Wegbegleiter des Rates. Im Gespräch mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) verweist er auf die "sehr schwache Legitimation" des Rats, den 2001 Ex-Kanzler Gerhard Schröder (SPD) ohne Mitwirkung des Parlaments errichtet hatte.

Der Rat sei stets als Konkurrenz zur Bioethik-Enquetekommission des Parlaments gedacht gewesen und habe betont liberale Positionen vertreten, bemängelt Reiter.

Hans-Jochen Vogel, Ethikrat-Mitglied von 2001 bis 2005, sieht das anders. Der frühere SPD-Vorsitzende bilanziert, schon seine Berufung in den Ethikrat zeige, dass der Kanzler das Gremium nicht einfach nach dem eigenen Geschmack zusammengestellt habe.
"Bei so wichtigen Fragen wie der Bewertung der Präimplantationsdiagnostik und der embryonalen Stammzellforschung habe ich jeweils eine andere Auffassung vertreten, als sich Gerhard Schröder das wohl gewünscht hätte", sagt er der KNA. Die Dialoge der Bioethik-Experten, ob öffentlich oder nicht, seien lebhaft und engagiert gewesen, der Ethikrat habe gesellschaftliche Debatten angekurbelt.

Vogel verweist darauf, dass in diesem Themenfeld der Bedarf an fundierten Diskussionen deutlich gewachsen sei. Heute gibt es vergleichbare Gremien auch in Bundesländern, Kliniken, auch katholischen Bistümern. Eine der bemerkenswerteren Texte, die der Ethikrat vorlegte, passt dazu. Der Studie über Nationale Ethikräte von 2005 wird auch von Kritikern Respekt gezollt.

Das gilt längst nicht für jede Stellungnahmen, wie die bislang letzte Veröffentlichung zur Organspende zeigt. Im April plädierten - was selten ist - alle 24 Ethikräte einmütig zehn Jahre nach dem Transplantationsgesetz für einen Systemwechsel:
statt einer erweiterten Zustimmungsregelung solle es eine modifizierte Widerspruchsregelung geben. Da brach die Kritik der Politik über den Ethikrat herein. Wie ein Beißreflex. "Ein utilitaristischer Ansatz", meint auch Reiter. Vogel verweist indes auf eine ähnliche Vorlage, die der Bundestag schon 1978/79 ernsthaft diskutiert habe, um mehr Organspenden zu erreichen. Es ist wie bei vielen Stellungnahmen des Ethikrats: Sie bleiben umstritten und kurbeln doch die Debatte an. Mit der anstehenden Empfehlung zur Stammzellforschung wird es wohl ähnlich sein.

Vielleicht war der Text für den einen oder andere Experten noch nicht das letzte Votum an die Politik. Zwar ist die Mitgliedschaft im Nationalen Ethikrat auf maximal acht Jahre begrenzt. Doch wer gerufen wird und will, kann nach sechs Jahren Arbeit im Deutschen Ethikrat erneut einsteigen. Ein wenig Erfahrung schadet auch nicht.