Aufregung um Kampf gegen sexuellen Missbrauch bei Aborigines

Touristenboykott am Ayers Rock

Die australischen Emotionen gehen hoch: Aborigenes wollen den Ayers Rock für Touristen sperren, Politiker werfen dem Staatschef Rassismus vor und Kommentatoren sehen hinter allem eine Wahlkampfkampagne. Stein des Anstoßes ist eine Initiative des Ministerpräsidenten John Howard gegen sexuellen Missbrauch von Kindern durch Aborigines.

 (DR)

Der konservative Regierungschef will Polizei und Sondereinsatzkräfte in die Aborigine-Regionen schicken, um strikte Verbote von Alkohol und Pornografie durchzusetzen. Und:
Alle jungen australischen Ureinwohner in den betroffenen Gebieten sollen auf Anzeichen von Missbrauch hin untersucht werden. Ein Plan der auf scharfe Kritik stößt - aber auch auf Zustimmung.

Nun könne endlich niemand mehr so tun, als wisse er nicht, was mit unseren australischen Mitbürgern geschieht, sagt etwa Louis Nowra, Autor eines Buches über sexuelle Gewalt gegen Aborigine-Kinder. Alleine steht er mit seiner Meinung nicht.
Endlich wage jemand, das Problem anzugehen, so der Grundtenor der Befürworter.

Das Problem - das ist der sexuelle Missbrauch von Kindern. Der ist unter Aborigines im Northern Territory erschreckend weit verbreitet, wie eine Studie in der vergangenen Woche offen legte. Darauf reagierte Howard mit seinem Vorstoß. Nur: Das Thema ist nicht neu.

Denn in den vergangenen Jahren gab es eine Reihe ähnlicher Untersuchungen. Geschehen sei dennoch nichts, werfen Menschenrechtsaktivisten, Ärzte und Sozialarbeiter der Regierung des Northern Territory und dem seit zwölf Jahren amtierenden Howard vor. Erst jetzt vor den anstehenden Parlamentswahlen wolle er mit dem Thema vor allem die eigene Haut retten.

Aber auch Verfassungsrechtler melden Bedenken an, Politiker nennen den Regierunschef rassistisch und die Aborigines selbst wehren sich. Sie reagierten zunächst mit Demonstrationen in verschiedenen Städten und drohten Anfang der Woche damit, Touristen am Besuch des Ayers Rock zu hindern. Sie wollen den berühmten roten Felsen, den sie Uluru nennen, zum Symbol ihres Protests machen. Es dürfe keine allgemeine Vorverurteilung aller Indigenen geben.

Und ihr Widerstand speist sich nicht nur aus Fakten, sondern auch aus einer Mischung von Gerüchten und schlechten Erfahrungen mit staatlicher Gewalt. Die Polizei werde Hunde erschießen und Eltern ihre Kinder wegnehmen, befürchten viele. Hier wirkt die Vergangenheit nach: Denn die Entführung von Aboriginekindern war noch bis vor 30 Jahren gängige staatliche Praxis.

So weit geht Howards Vorstoß sicher nicht. Fraglich ist aber, wie er sein Vorhaben umsetzen will. Vieles ist mehr Rhetorik als Aktionsplan. Alkoholverbote in den Aboriginegebieten des Northern Territory gab und gibt es schon, und auch die geplante medizinische Zwangsuntersuchung ist fragwürdig: Die Kinder würden - so Kritiker - nicht umfassend genug untersucht. Zudem fehle es in der entlegenen Region, die vier mal so groß ist wie Deutschland, an der notwendigen medizinischen Infrastruktur.
Schließlich ist unklar, woher die notwendigen Polizeibeamten kommen sollen.

Die wichtigste Kritik der Howard-Gegner aber ist vielleicht der grundlegende Zweifel an der Nachhaltigkeit der angekündigten Aktionen. Denn aus ihrer Sicht wären hunderte Millionen notwendig, um die elende soziale Situation der Aborigines dauerhaft zu verbessern. Allein für Häuser mit fließendem Wasser und Elektrizität im Northern Territory sind laut Experten umgerechnet 880 Millionen Euro, für Schulen, Lehrer, Krankenhäuser und Ärzte in den nächsten zehn Jahren rund 380 Millionen Euro nötig. Zudem müssten Jobs und Ausbildungsplätze geschaffen werden, um die Abhängigkeit der Aborigines von der staatlichen Wohlfahrt zu durchbrechen. Davon aber ist im Howard-Plan keine Rede.