Hilfsorganisationen fordern Kurswechsel in Afghanistan-Politik

Trennung von Militäreinsätzen und Entwicklungsprojekten

Caritas International und das Deutsche Rote Kreuz haben eine strikte Trennung von Militäreinsätzen und Entwicklungsprojekten in Afghanistan gefordert. Die Bundeswehr müsse die Unterstützung der Bevölkerung den Hilfswerken überlassen, sagte der Leiter von Caritas International, Oliver Müller, am Mittwoch in Berlin. Das katholische Hilfswerk forderte einen vollständigen Kurswechsel in der deutschen Afghanistan-Politik.

 (DR)

Das Mandat der Bundeswehr müsse überprüft werden, die deutschen Truppen dürften nicht in den Krieg gegen den Terror hineingezogen werden, sagte Müller. Zudem müsse die Verantwortung für Militäroperationen so bald wie möglich in die Hände der Vereinten Nationen übergeben werden. "Es darf nicht der Eindruck entstehen, dass das Land von westlichen Staaten besetzt ist".

Der Präsident des Deutschen Roten Kreuzes, Rudolf Seiters, erklärte, wenn Soldaten als Helfer aufträten, könne dies die Neutralität der humanitären Hilfe und das Leben der Helfer in Afghanistan gefährden. Ende Mai hatte auch die Deutsche Welthungerhilfe Entwicklungsprojekte unter militärischem Kommando als "gefährlichen Irrweg" kritisiert.

Vor wenigen Wochen waren zwei Mitarbeiter der Organisation, ein Afghane und ein Deutscher, bei zwei Anschlägen getötet worden.
In Afghanistan könne die Zivilbevölkerung nicht mehr unterscheiden, wer Militär und wer neutraler Helfer sei, betonte Caritas-International-Leiter Müller. Mit der Verteilung von Lebensmitteln oder dem Aufbau von Trinkwasseranlagen durch deutsche Soldaten werde die humanitäre Hilfe für sicherheitspolitische Ziele instrumentalisiert. Zwar seien die Hilfsorganisationen auf Unterstützung angewiesen, doch "jeder sollte das tun, was er am besten kann: Die Bundeswehr für Sicherheit sorgen, die Entwicklungshelfer den Wiederaufbau gestalten".

Als feiges Verbrechen verurteilte UNICEF in Kabul einen Anschlag am Dienstag auf eine Mädchenschule in der Nähe der afghanischen Hauptstadt. Zwei Mädchen seien getötet worden, eine Lehrerin und drei weitere Schülerinnen verletzt, sagte eine Sprecherin. Derzeit gehen nach Angaben des Kinderhilfswerks sechs Millionen Kinder die Schule, das sind 40 Prozent der Mädchen und 66 Prozent der Jungen im entsprechenden Alter.

Caritas International kritisierte auch den Umgang mit afghanischen Flüchtlingen in Deutschland. Trotz der Gewalt seien seit 2004 nur 80 Afghanen als Asylberechtigte anerkannt worden, und im Jahr 2007 bislang noch niemand, sagte der Präsident des Hilfswerks, Peter Neher. In der gleichen Zeit sei jedoch 1.000 Menschen aus der Kriegsregion der Flüchtlingsstatus wieder aberkannt worden. Besonders zynisch sei es, dass die Abschiebung kriegstraumatisierter Flüchtlinge mit dem Hinweis gerechtfertigt werde, die Caritas biete vor Ort Hilfsprojekte an.

Mit 16,2 Millionen Euro nahm Caritas International 2006 weit weniger Spenden ein als im "Katastrophenjahr" 2005. Das vergangene Jahr habe mit dem Erdbeben in Indonesien, der Dürre in Kenia oder dem Flüchtlingsdrama in Darfur zwar nicht weniger Leid gebracht, sagte Neher. Die Aufmerksamkeit für diese "schleichenden" Katastrophen sei jedoch wesentlich geringer gewesen. Nach dem Tsunami in Südostasien und dem Erdbeben in Pakistan hatte Caritas 2005 rund 76 Millionen Euro Spenden erhalten.

Mit öffentlichen Zuschüssen und Kirchensteuermitteln beliefen sich die Gesamteinnahmen des katholischen Hilfswerkes im vergangenen Jahr auf knapp 42 Millionen Euro. Rund 6,4 Prozent davon seien für Verwaltung und Werbung ausgegeben worden, so Neher. In Afghanistan wurden den Angaben zufolge 2006 Projekte für 1,86 Millionen Euro umgesetzt.