Frühere Babysitterin soll in Texas hingerichtet werden - Amerikaner sehen Todesstrafe zunehmend mit Skepsis

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Lange Zeit wenig umstritten, wächst in den USA die Kritik an der Todesstrafe. Das hat eine am Wochenende veröffentlichte Umfrage ergeben. Trotz der Zweifel werden aber weiterhin fragwürdige Todesurteile vollstreckt. Nun soll eine frühere Babysitterin hingerichtet werden. Und das obwohl ihr Hauptbelastungszeuge seine Aussage im Mai zurückgezogen hat.

 (DR)

Prozessentscheidende Aussage inzwischen zurückgezogen
Die frühere Babysitterin Cathy Henderson (50) wurde 1995 zum Tode verurteilt. Sie wird bezichtigt, im texanischen Pflugerville ein Baby in ihrer Obhut auf den Boden geworfen zu haben. Der dreimonatige Brandon Baugh starb an Schädelverletzungen, Henderson verscharrte die Leiche.

Prozessentscheidend war damals die Aussage des Gerichtsmediziners Roberto Bayardo, Brandons Verletzungen seien so schwer, dass Hendersons Behauptung, es sei ein Unfall gewesen, nicht stimmen könne. Sie müsse das Baby mit Gewalt hingeschmissen haben. Henderson sagte dagegen, sie habe das Baby versehentlich fallen lassen, und sei danach in Panik weggerannt.
Ende Mai erklärte Bayardo aber vor Gericht, er ziehe seine Aussage zurück.

Eine neue Untersuchung über Kopfverletzungen zeige, dass auch ein Sturz aus etwa einem Meter schwere Verletzungen verursachen könne. Die Mutter des toten Kindes sagte in der Zeitung "Austin American-Statesman", sie sei schockiert über Bayardos Umschwung. Sie hoffe aber, dass sich an dem Todesurteil nichts ändere.

"Leicht, ein Monster zu töten. Aber einen Menschen..."
Unterdessen hat sich die in den USA bekannte Todesstrafen-Gegnerin Helen Prejean für Henderson eingesetzt und sie im Frauengefängnis von Gatesville besucht. Brandons Tod sei ein Unfall gewesen, sagte die Ordensschwester. Die Öffentlichkeit müsse verstehen, dass Henderson "kein Monster" sei: "Es wäre leicht, ein Monster zu töten, aber schwer, einen Menschen umzubringen." Aus verfahrensrechtlichen Gründen ist es aber schwierig, ein Todesurteil zu revidieren. Hinzu kommt, dass Henderson unterschiedliche Angaben über den Hergang des Geschehens gemacht hat.

Ihre Hinrichtung wäre die zwölfte Exekution einer Frau seit Wiedereinführung der Todesstrafe im Jahr 1976. Zuletzt wurde eine Frau im September 2005 ebenfalls in Texas hingerichtet - auch in diesem Fall gab es erhebliche Zweifel. Die 40-jährige Frances Newton soll 1987 ihren Ehemann und ihre beiden Kinder erschossen haben. Der Gerichtspsychiater erklärte, Newton sei eine "fortgesetzte Gefährdung" der Gesellschaft. Er hatte nie mit ihr gesprochen.

Immer wieder Unschuldige
124 Todeshäftlinge sind in den USA seit 1973 als unschuldig entlassen worden. Im Mai wurde in Tennessee der wegen Mordes verurteilte Curtis McCarty nach 21 Jahren im Todestrakt auf freien Fuß gesetzt. Die Polizei habe bei dem Prozess wissentlich falsche Aussagen über am Tatort vorgefundene und angeblich von McCarty stammende Haare gemacht und diese dann verschwinden lassen, als ein DNA-Test gemacht werden sollte, erklärte ein Gericht.

Der frühere Direktor der Bundespolizei FBI, William Sessions (1987-1993), forderte vor kurzem in dem Fachmagazin "Jurist" eine grundlegende Reform der Todesstrafenjustiz. Von größter Bedeutung sei ein kompetentes Testen von DNA, wenn nötig auch noch nach einem Schuldspruch, so Sessions.

Bei der jüngsten Befragung sagten 40 Prozent, sie würden wegen ihrer ethischen Überzeugung bei Todesstrafenprozessen wohl als Geschworene disqualifiziert. Geschworener kann bei Todesstrafenprozessen nur werden, wer ein Todesurteil mit seinem Gewissen vereinbaren kann. Die Umfrage unter 1.000 Erwachsenen wurde vom Todesstrafen-Informationszentrum in Washington in Auftrag gegeben, das die Todesstrafe ablehnt.