Protestgewalt: attac kündigt im domradio Folgen an

"Hätten uns stärker distanzieren sollen"

Nach der Eskalation der Gewalt bei den Anti-G8-Protesten in Rostock streiten Polizei und Politik um Konsequenzen. Bayerns Innenminister Günther Beckstein forderte ein härteres Durchgreifen. Das Vorgehen der Polizei verteidigt hat das globalisierungskritische Netzwerk attac. Im domradio-Interview gestand Sprecher Peter Wahl Versäumnisse bei der eigenen Planung ein und kündigte Konsequenzen für künftige Proteste an.

 (DR)

attac: Wir wollen keine Randalierer
attac müsse nun darüber nachdenken, künftig auch Sicherheitskräfte einzusetzen. "Vor der Demonstration am Samstag hätten wir noch deutlicher machen müssen: Wir wollen keine Randalierer", so der langjährige attac-Chef. Dennoch hätte man die Ereignisse nicht verhindern können.

"Das ist das gleiche Problem, dass der Fußball mit den Hooligans hatte. Die einzige Möglichkeit  liegt in gigantischen Sicherheitsmaßnahmen."

"Das ist eine neue Qualität der Gewalt, die fassungslos macht"
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) sieht die scharfen Sicherheitsvorkehrungen zum G8-Gipfel durch die Ausschreitungen bestätigt. GdP-Chef Konrad Freiberg sagte: "Das ist eine neue Qualität der Gewalt, die fassungslos macht." Die "Explosion der Gewalt" und die große Zahl angereister Straftäter hätten die polizeilichen Maßnahmen vor dem G8-Gipfels bestätigt. Die Gewalttäter seien an einem friedlichen Verlauf der Demonstrationen nicht interessiert, "egal, wie sich die Polizei verhält".

Beckstein betonte, es könne "nicht hingenommen werden, dass Gewaltbereite Tränengasgranaten und Feuerwerkskörper mitbringen". Zehntausende Menschen seien nach Rostock gekommen, um friedlich zu demonstrieren. "Auch zu ihrem Schutz hätte man schärfere Vorkontrollen durchführen müssen." Der Krawall war nach Becksteins Einschätzung sorgfältig vorbereitet. Die geringe Zahl der Festnahmen sei "äußert unbefriedigend".

Der Innenexperte der SPD-Bundestagsfraktion, Dieter Wiefelspütz, nannte die Vorgänge in Rostock "unerträglich". Zu klären sei, "wie es den Chaoten gelingen konnte, zumindest kurzzeitig die Oberhand zu gewinnen." Dabei müsse die Frage erlaubt sein, "ob das Verhalten der Polizei professionell war". Dem CDU-Innenexperten Wolfgang Bosbach zufolge geht es darum, "ob alle aus den Erfahrungen lernen oder ob es nur die Ouvertüre einer Gewaltorgie war".

Die Linkspartei gibt Sicherheitsbehörden Mitschuld
Die Linkspartei, die nach eigenen Angaben mit mehreren tausend Anhängern in Rostock vertreten war, erhob gegen die Sicherheitsbehörden schwere Vorwürfe. Es seien genau die Bilder provoziert worden, "die die Bundesregierung und ihre Einsatzkräfte zur Legitimation ihrer wochenlangen Repressions-Kampagne gegen G8-Kritikerinnen und -Kritiker brauchte", sagte die Parteivize Katina Schubert. Auf vereinzelte Provokationen habe die Polizei "völlig unangemessen reagiert", kritisierten auch Linkspartei-Vize Katja Kipping und Vorstand Wolfgang Gehrcke. Die Bundesregierung trage dabei "in hohem Maße Verantwortung", da sie ein "Klima der Eskalation" geschaffen habe.

Mehrere tausend militante Autonome hatten am Samstag das Bild einer friedlichen Kundgebung gestört. Bei den Krawallen gab es nach Angaben von Polizei und Veranstaltern knapp 1000 Verletzte, darunter 433 Polizisten und 520 Demonstranten. Rund 130 G8-Gegner wurden festgenommen.