Ein Gespräch zu Christi Himmelfahrt mit dem "Papst"-Piloten

"Fliegen erschließt eine neue Dimension"

Zwei Mal flog Lufthansa-Pilot Martin Ott (51) Papst Benedikt XVI.
nach dessen Deutschland-Besuchen zurück nach Rom. Der Katholik kennt sich aber nicht nur in der Fliegerei aus. Er besuchte einst in Regensburg auch Vorlesungen des damaligen Dogmatik-Professors Joseph Ratzinger. Lesen Sie ein Gespräch mit dem Vater von sieben Kindern über den Himmel - naturwissenschaftlich und theologisch gesehen.

 (DR)

KNA: Herr Ott, der Evangelist Lukas berichtet, wie Jesus die Apostel segnet und vor ihren Augen in den Himmel emporgehoben wird. Wenn Sie mit Ihrem Jet auf die Startbahn rollen ...

Ott: Das Fliegen sehe ich zunächst ganz physikalisch. Eine bestimmte Geschwindigkeit und Tragflügelform erzeugen zusammen Auftrieb. Mit dieser Kraft hebt das Flugzeug - und sei es noch so schwer - vom Boden ab. Mit dem Fliegen erschließt sich der Mensch eine neue Dimension, die sicherlich auch Platz hat für eine Art Vorahnung vom Himmel. Das hat mich immer fasziniert. Die Himmelfahrt Christi bedeutet noch einmal etwas anderes, nämlich Raum und Zeit hinter sich zu lassen, Eintritt in Vollkommenheit.

KNA: Wie sehen Sie den Himmel beim Fliegen?

Ott: Naturwissenschaftlich. Schließlich muss ich die mir anvertrauten Menschen sicher von A nach B bringen. Und Wolken haben nicht nur etwas Transzendentes an sich, sondern können ungemütlich werden. Da empfiehlt sich's sogar, um die Wolken herumzufliegen. Nur so kann ich - auch mit Hilfe des Wetterradars - Turbulenzen und Vereisung vermeiden.

KNA: Ihre schlimmsten Turbulenzen?

Ott: Da gingen Gläser zu Bruch. Dem Flugzeug machte das nichts, aber für die Passagiere war es grenzwertig. Nach der Landung wollten manche noch ein paar Minuten sitzen bleiben, weil ihre Beine sie schlicht nicht mehr getragen haben.

KNA: Ihr Technik-Vertrauen scheint groß zu sein. Schicken Sie manchmal auch ein Stoßgebet zum Himmel?

Ott: Es ist mein Beruf, die Fakten zu ordnen und danach zu handeln. Wenn ich aber morgens aufwache, geht mein erster Blick nach oben. Dann danke ich Gott, wieder einen neuen Tag erleben zu dürfen. Und ich weiß sowieso jeden Atemzug, mein ganzes Denken und Tun - und das schließt natürlich jeden Handgriff im Flugzeug mit ein - in ihm geborgen.

KNA: Ist man Gott beim Fliegen näher?

Ott: Das bleibt jedem selbst überlassen. Räumlich gesehen jedenfalls natürlich nicht. Die Nähe Gottes erleben Sie vor allem in der Begegnung mit Menschen. In der Luft bilden Sie mit den Passagieren und der Besatzung eine Schicksalsgemeinschaft und tragen die Verantwortung. Manchmal ergibt sich vor dem Start auch ein kurzes Gespräch mit einem Passagier, der Angst vor dem Fliegen hat.

KNA: Da werden Sie dann zum Seelsorger...

Ott: Na ja. An manchen Nachfragen erkenne ich, dass sich die Leute oft wundern. Warum redet ein Pilot so daher, der nach einem verbreiteten Klischee Porsche fährt und ein flottes Leben führt?
Da erleben sie auf einmal einen, dem der christliche Glaube nicht wurscht ist und der ihn auch noch durchschimmern lässt in der Art, wie er redet und handelt.

KNA: Wie erklären Sie Ihren Kindern den Himmel?

Ott: Bei Fünfjährigen ist das noch einfach. Die leben in der Gegenwart. Da verweise ich auf die Freiheit der Vögel und der Engel - und dass wir Menschen dies auch einmal haben können. Gerade bei Todesfällen in der Verwandtschaft kann diese Erklärung helfen. Jugendliche stellen andere Fragen. Da wird im Gespräch irgendwann klar, dass wir nicht nur so dahinleben bis zum Tod. Himmel kann es jetzt schon geben, wenn man die Freiheit erkennt und genießt, die der Glaube bietet.

KNA: Wurden Sie schon auf ein Himmelfahrtskommando geschickt?

Ott: Nicht bei der Fliegerei, Gott sei Dank. Als Pilot habe ich immer die letzte Entscheidung, ob beispielsweise bei ganz schlechtem Wetter geflogen wird oder nicht. Da muss ich mich gegenüber meiner Firma nicht rechtfertigen.

KNA: Und Ihr schönstes Erlebnis über den Wolken?

Ott: Einen traumhaften abendlichen Flug hatte ich mal von Thessaloniki nach München. Während der Flugvorbereitung am Boden ging über dem Meer glutrot die Sonne unter. Nach dem Start kam sie mit jedem Meter, den wir uns von der Erdoberfläche entfernten, wieder über den Horizont heraufgeklettert und zugleich ging auf der gegenüberliegenden Seite der Mond auf. Da relativiert sich vieles. Schöpfung ist eben nichts Abgeschlossenes, und der Mensch ist darin eingebunden.

Interview: Barbara Just (KNA)