Familienbischof: Mehr Gerechtigkeit bei Familienförderung

Kirche lobt Krippenkompromiss

Der katholische "Familienbischof", Kardinal Georg Sterzinsky, hat den Koalitionskompromiss bei der Kinderbetreuung begrüßt. - Die Koalitionsspitzen hatten am Montagabend in Berlin eine Einigung zum geplanten Ausbau der Krippenplätze erzielt. Keine Annäherung dagegen gab es beim Thema Mindestlohn.

 (DR)

"Gewisse Unterstützung"
SPD-Chef Kurt Beck sprach nach rund fünfeinhalbstündigen Beratungen im Kanzleramt von einem "Durchbruch". Zum Krippenausbau soll in einem Gesetz festgeschrieben werden, dass bis 2013 für 35 Prozent der Kleinkinder ein Krippenplatz zur Verfügung stehen soll. Der Bund werde sich an den Sach- und Personalkosten beim Aufbau der Krippen und darüber hinaus auch "permanent" beteiligen, erläuterte Beck.

Es solle auch eine Regelung geben, um die ostdeutschen Länder, in denen oft schon ein bedarfsgerechtes Angebot vorhanden ist, zu beteiligen. Einbezogen werden sollen auch Tagesmütter und Kleingruppen oder betriebliche Angebote. Für Eltern, die ihre Kinder zu Hause betreuen, soll es ebenfalls eine "gewisse Unterstützung" geben.

Stoiber und von der Leyen zufrieden
CSU-Chef Edmund Stoiber bezeichnete den Kompromiss als "gut und tragfähig". Es sei der Union nicht leicht gefallen, einen Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz ab 2013 schon jetzt festzulegen. Wichtig für die CSU sei, dass jene 65 Prozent der Familien, die keinen Platz beanspruchen und ihre Kleinkinder zu Hause betreuen, einen "Erziehungsbonus" erhalten. Die Höhe sei noch nicht festgelegt. Vorstellbar seien aber 150 Euro im Monat.

Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen begrüßt den Koalitionskompromiss. zum Ausbau des Betreuungsangebots für Kleinkinder. Damit habe es die Koalition geschafft, junge Familien nach dem einjährigen Elterngeld weiter zu unterstützen, sagte von der Leyen am Dienstag im ARD-"Morgenmagazin" zu den Beratungen des Koalitionsausschusses vom Vorabend. "Es hat sich wirklich eine echte große Koalition gebildet für Kinder und Familien", fügte die Ressortchefin hinzu.

Betreuungsgeld bis zum dritten Lebensjahr
Der katholische "Familienbischof", Kardinal Georg Sterzinsky, hat den Koalitionskompromiss bei der Kinderbetreuung begrüßt. Der Kardinal verwies am Dienstag in Berlin vor allem auf das geplante Betreuungsgeld für Eltern, die wegen ihres Kindes zuhause bleiben. Das sorge für mehr Gerechtigkeit bei der Familienförderung, sagte er der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Die Erziehungsleistung der Eltern werde anerkannt.

Noch am Montag hatte die Katholische Kirche für die Einführung eines "Betreuungsgeldes" nach Vorstellung der CSU geworben. Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Hans-Joachim Meyer, sowie elf katholische Verbände forderten in einer gemeinsamen Erklärung, Eltern während des zweiten und dritten Lebensjahres ihres Kindes monatlich 300 Euro zu zahlen.

Das Betreuungsgeld sollte einkommens- und bedarfsunabhängig sein und ohne Anrechnung anderer Leistungen gewährt werden, forderte im domradio-Interview Dr. Markus Warnke vom katholischen Familienbund ein Betreuungsgeld gefordert.

Austausch der unterschiedlichen Positionen
Beim Streitthema Mindestlohn tauschten beide Seiten noch einmal ihre unterschiedlichen Positionen aus, betonte Beck. Die Union habe erklärt, dass sie keine gesetzliche Regelung wolle. Die SPD halte diese dagegen auf Dauer für unverzichtbar.

Allerdings seien Zwischenschritte wie die Ausweitung des Entsendegesetzes auf weitere Branchen denkbar, betonte Beck. Über das Gesetz können Tarifverträge über Mindestlöhne für allgemeinverbindlich erklärt werden. Strittig ist laut Beck, ob dies über den Verordnungsweg oder vom bisherigen Tarifausschuss geregelt werden soll. Gegen letztere Regelung habe die SPD Einwände.

Vorstellbar sei auch eine Regelung zur Sittenwidrigkeit von Löhnen. Dazu sei aber eine Untergrenze nötig. Für die SPD inakzeptabel sei, die Sittenwidrigkeit bei zwei Dritteln oder drei Vierteln von ortsüblichen Stundenlöhnen von vier oder fünf Euro anzusetzen.

Mindestlohn: Mitte Juni erneut reden
Stoiber bekräftigte die Unions-Haltung, wonach gesetzliche Mindestlöhne Arbeitsplätze kosten. Die Union habe aber angeboten, bei diesem Thema über den Koalitionsvertrag hinauszugehen. Demnach sollten bis zum 31. März 2008 die Tarifparteien aller Branchen erklären, ob sie ins Entsendegesetz aufgenommen werden wollen. Ein anderer Vorschlag wäre, zwei, drei oder vier Branchen per Rechtsverordnung in das Gesetz aufzunehmen. Der erste Weg sei aber aus Sicht der Union der Bessere. Über das Thema Mindestlohn soll der Koalitionsausschuss Mitte Juni erneut reden.

Einig ist sich die Koalition im Grundsatz, die Lage von Arbeitnehmern zu verbessern, die neben ihrem geringen Lohn noch Arbeitslosengeld II beziehen. Für die so genannten Aufstocker soll bei Löhnen von 800 bis 1300 Euro der Staat die Sozialbeiträge übernehmen, erläuterte Beck. Auf diese Weise könnten die Betroffenen aus "Hartz IV" herausgehalten werden. Ihnen würden auch Vermögensüberprüfungen erspart.

Die Koalitionsspitzen bestätigten zugleich den Entschließungsantrag, den die Koalitionsfraktionen zur Erbschaftssteuer formuliert haben. Weitere Themen im Koalitionsausschuss waren auch der Transrapid und die geplante Kohlestiftung. Entscheidungen gab es hierzu nicht.