Sicherheitspolitik: pax christi kritisiert im domradio Regierung

"Werden zu Terroristen gestempelt"

Die Kritik am staatlichen Umgang mit Globalisierungsgegnern im Vorfeld des G8-Gipfels Anfang Juni in Heiligendamm nimmt weiter zu. Im domradio hat die katholische Friedensbewegung pax christi der Regierung eine "Überreaktion" vorgeworfen. Friedliche Kritiker würden gerade zu Terroristen gestempelt. Auch der Evangelische Entwicklungsdienst ist beunruhigt.

 (DR)

"Auch wir sind betroffen"
"Offensichtlich soll jeder, der den Kapitalismus kritisiert, zum Terroristen gestempelt werden", klagte am Samstag im domradio-Interview Heribert Bötcher, Mitglied der Kommission "Globalisierung und Weltwirtschaft" bei pax christi.

Damit sei auch pax christi betroffen. Auch pax christi gehöre zu einer Bewegung, die den Kapitalismus und Teile der Globalisierung kritisere. Die Debatte um Sicherheit in Deutschland werde seit dem Streit um eine Begnadigung des ehemaligen RAF-Terroristen Christian Klar hysterisch geführt.

EED: Demokratische Kritik nicht diskreditieren
Die großen polizeilichen Durchsuchungsaktionen am Mittwoch legten den Verdacht nahe, dass nicht nur nach Terrorverdächtigen gefahndet, sondern auch die Netzwerke der Globalisierungskritiker durchforscht werden sollten, sagte EED-Vorstandsmitglied Wilfried Steen (62) am Freitag: "Es besteht die Gefahr, dass die demokratische Kritik an der G-8-Agenda desavouiert wird."

Steen beklagte, dass einige Gipfelkritiker sich nicht ausdrücklich von Gewalt distanzierten: "Das ist sehr, sehr bedauerlich." Zugleich begrüßte er kreative friedliche Proteste, etwa durch Konzerte, den Alternativgipfel oder Demonstrationen. An die Bundesregierung appellierte Steen, die Versammlungsfreiheit und das Recht auf freie Meinungsäußerung zu respektieren.

Der EED, ein Entwicklungswerk der evangelischen Kirche, ist Mitveranstalter des Alternativgipfels und eines Konzerts der Aktion "Deine Stimme gegen Armut" mit Herbert Grönemeyer. Zudem ruft der Entwicklungsdienst zu Gebeten und Andachten unter dem Motto "Acht Minuten für Gerechtigkeit" auf.

"Methoden, die an einen Polizeistaat erinnern"
Der Rechtspolitiker der Linksfraktion, Wolfgang Neskovic, sprach mit Blick auf die Razzien in mehreren deutschen Städten von einem unerhörten Vorgang. "Das waren Methoden, die an einen Polizeistaat erinnern", sagte Neskovic. Das Recht auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit werde beeinflusst. Als überzogen wertete er die Darstellung der Polizeigewerkschaft, wonach Ex-RAF-Angehörige Einfluss auf die linke Szene haben könnten. "Darauf gibt es keine Hinweise", sagte Neskovic.

Auch Grünen-Fraktionsgeschäftsführer Volker Beck wandte sich gegen die Äußerungen Freibergs. "Jetzt gleich wieder Parallelen zur RAF zu ziehen, ist völlig abwegig und entbehrt jeder Realität", sagte der Grünen-Politiker. Die Durchsuchungen trügen "sicherlich nicht zur Deeskalation bei", sagte er.

Attac: Versuch der Kriminalisierung
Die globalisierungskritische Organisation Attac wertet die Großrazzien als Versuch der Kriminalisierung einer breiten Protestbewegung. "Gegen die meisten Betroffenen wurde ohne jeden konkreten Tatverdacht vorgegangen", sagte der Attac-Koordinator für die Gipfel-Proteste, Werner Rätz. In dem politischen Protestbündnis gebe es einen eindeutigen Konsens gegen Gewalt. "Das werden wir bei den von uns verantworteten Veranstaltungen auch durchsetzen", versicherte der Attac-Vertreter.

Unions-Fraktionsvize Wolfgang Bosbach (CDU) sieht ebenfalls keinen zunehmenden Einfluss früherer RAF-Terroristen auf die linke Szene von heute. "Die Besorgnisse von Herrn Freiberg muss man ernst nehmen", sagte er und fügte hinzu: "Aber man sollte die von ihm befürchtete Entwicklung nicht herbeireden." Bosbach riet, zunächst die Auswertung der bei den Razzien sichergestellten Beweise abzuwarten. Nach Ansicht von CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla haben die Razzien bei G-8-Gegnern "überhaupt nichts mit Repression zu tun". Der Staat müsse wachsam sein und frühzeitig einschreiten.

Polizei und Schäuble verteidigen sich
GdP-Chef Freiberg verteidigte erneut das Vorgehen der Sicherheitsbehörden. "Wir müssen immer häufiger politische Delikte und Gewalttaten verzeichnen, vor allem in Berlin und Hamburg mehren sich die Brandanschläge. Die Gewalt nimmt deutlich zu und sie richtet sich gegen den G8-Gipfel". Es sei eine neue Qualität erreicht, wenn man im linksextremistischen Spektrum auf eine Gruppe stoße, die sich über einen längeren Zeitraum fest strukturiere und gezielt Brandanschläge verübe.

Auch der Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses, Sebastian Edathy (SPD), verteidigte die Razzien. "Wenn die Behörden Anlass zu Durchsuchungen sehen, ist dies kein Grund zu Kritik", sagte Edathy. Er gehe davon aus, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt ist.

Schäuble drohte gewaltbereiten Demonstranten derweil mit vorbeugender Haft. "Die Polizeigesetze der Länder sehen den so genannten Unterbindungsgewahrsam vor", sagte der CDU-Politiker. Danach können Störer je nach Bundesland bis zu 14 Tage in Polizeigewahrsam genommen werden, wenn es tatsächliche Anhaltspunkte für geplante Straftaten gibt. Schäuble erinnerte daran, dass der so genannte Unterbindungsgewahrsam nicht nur für Hooligans sondern auch für gewaltbereite Chaoten gelte.

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