Israelische Archäologen stellen angebliches Herodes-Grab vor

Nicht die geringsten Zweifel

"In diesen Tagen vor genau 2.011 Jahren ist König Herodes in Jericho verstorben und nach einem prachtvollen Trauerzug feierlich auf dem Herodion-Hügel begraben worden", sagt Professor Ehud Netzer. Der gelernte Architekt und Archäologe ist sich seiner Sache sicher: Er hat das Grab König Herodes' entdeckt.

 (DR)

Jahrzehntelange Suche endet
Er hat 35 Jahre lang nach jenem Mausoleum gesucht, in dem der berühmte biblische König und einer der größten Bauherrn des Altertums seine letzte Ruhestätte gefunden haben soll. Die Beschreibung des Trauerzugs lieferte der römisch-jüdische Historiker Flavius Josephus - doch die genaue Lage des Mausoleums bliebt bislang ein Mysterium.

Am Dienstag konnte Netzer nun vor mehr als 100 Journalisten aus aller Welt ein wunderbar geschnitztes Bruchstück des Sarkophags aus rötlichem Kalkstein in die Kameras halten. Es gibt nur einen anderen derartigen Sarkophag aus der Periode des Herodes in Jerusalem - und der wurde bereits vor Jahrzehnten im so genannten Grab der Könige nahe dem Damaskustor gefunden.

Nicht den geringsten Zweifel
Für Ehud Netzer, der sich am Ziel seiner langjährigen Suche sieht, gibt es nicht den geringsten Zweifel, dass nur jener berühmteste König dort auf dem Herodion-Hügel begraben gewesen liegen kann. In der Tat ist Herodes der Große eine der bedeutenderen Figuren der Menschheitsgeschichte. Im Neuen Testament ist er als jener erwähnt, der alle Erstgeborenen in Bethlehem töten ließ, weil er von der Geburt Jesu als dem "künftigen König der Juden" erfuhr - und so jede mögliche Konkurrenz ausschalten wollte.

Für die Juden ist er der Erbauer und Erweiterer des Jerusalemer Tempels, in dem Jesus lehrte und vom Hohepriester Kaiphas dem römischen Statthalter Pontius Pilatus übergeben wurde. Einige der wichtigsten antiken Sehenswürdigkeiten Israels, darunter der Hafen von Caesarea und die Wüstenburg Massada, wurden unter Herodes errichtet.

Lebenswerk damit vollendet
Netzer verwarf die Theorien früherer Archäologen, die glaubten, dass der König in dem mächtigen, sieben Stockwerke hohen und versiegelten Rundturm auf dem Hügel begraben worden sei. "Ein Jude lässt sich nicht in einem Wohngebäude oder einem bewohnten Palast begraben", argumentierte er - und weitete seine Suche aus.

Am Ende einer künstlichen Rampe machte Netzer ein monumentales Gebäude und am anderen Ende eine breite Treppe aus, die zu den Palästen auf dem Hügel hinaufführte. Auf halber Strecke entdeckte er am Abhang eine mit Stützmauern versperrte Zisterne. Dort setzte er erneut den Spaten an. Als ihn vor drei Wochen sein Kollege Roi Porat telefonisch wegen Bruchstücken eines mutmaßlichen Sarkophags alarmierte, ahnte Netzer, dass sein Lebenswerk damit vollendet sei. Anhand von Münzfunden, architektonischen Besonderheiten und auf Grund der Steinmetzarbeiten datiert er die Funde exakt in die Zeit des biblischen Königs, der im Jahr 4 vor Christus starb.

"Wir konnten die Wut der jüdischen Aufständischen gegen König Herodes richtig spüren", berichtet Roi Porat. Er hielt als erster die Bruchstücke des Sarkophags in der Hand: rötlicher Sandstein mit sauberer Steinmetzarbeit. "Wir sahen die Spuren der Hammerschläge, mit denen das prächtige Grabmal mutwillig in 1.000 Stücke zerschlagen wurde", erzählt der Wissenschaftler, während er am Abhang des künstlich aufgeschütteten Hügels auf einem halb ausgegrabenen Podium steht. Dort, so meint er, habe einst in einem Prunkbau der steinerne Sarg des Königs der Juden gestanden.

Noch mehr Stücke erwartet
Im Jahr 70 kämpften die Römer den ersten großen jüdischen Aufstand in Jerusalem nieder und zerstörten den Tempel des Herodes. Damals befand sich die Verwaltungszentrale in den Palästen des Herodions. "Als die jüdische Herrschaft geschlagen war, übernahmen aufständischen Juden die Festung, nutzten die unterirdischen Zisternen als Geheimgänge und ließen ihre ganze Wut an dem Grabmal des Herodes aus, dem Symbol der von ihnen verhassten jüdischen Herrscherklasse."

In den Hügel hineingebaut und zu dessen Füßen wurden schon vor Jahrzehnten mehrere Paläste, hängende Gärten, Wasserspiele und Säulengänge ergraben. Eine so üppige Palastanlage sucht in der römischen Welt der Zeitenwende ihresgleichen. "Wir haben von dem zertrümmerten Sarkophag inzwischen genügend Einzelteile, um ihn wieder zusammenzusetzen", glaubt Porat. Und wir werden sicher noch mehr Stücke finden."

Ulrich Sahm (KNA)