Russlands Kosmonauten fliegen heute mit Kirchensegen ins All

Hast Du Gott gesehen?

Ob er Gott gesehen habe, wollte ein "Westjournalist" von Juri Gagarin im April 1961 nach seinem historischen Raumflug wissen. Natürlich verneinte der erste Kosmonaut der Welt die Frage, die in der atheistischen UdSSR-Gesellschaft als höchst provozierend galt. Seit dem Untergang der Sowjetunion hat sich die Situation grundlegend gewandelt. Inzwischen startet keine "Sojus"-Besatzung mehr ohne den göttlichen Segen eines Priesters.

 (DR)

Kirche ist heute wichtiges und staatstragendes Bindeglied
Die russisch-orthodoxe Kirche hat durch Gagarins Worte keinen Schaden genommen. Denn der Glaube war auch im Sowjetreich tief im Volk verwurzelt. Trotzdem ließ sie damals diese Äußerung nicht unkommentiert stehen. Man stelle sich vor, ein Mensch schöpfe "mit einem Löffel" Wasser aus dem Ozean und behaupte dann, weil er keinen Wal gesehen habe, es gebe dort keine, antwortete Professor Alexej Ossipow von der Moskauer Geistlichen Akademie.

Heute sind die Kirche und ihr Moskauer Patriarchat ein wichtiges und staatstragendes Bindeglied des neuen Russland. Dem "armen Sünder" Gagarin ist längst vergeben. Im Gegenteil: In der Kirchenpresse werde zwar bisher noch "vorsichtig, aber doch schon hinreichend konkret" mit dem Gedanken gespielt, den "Nationalhelden" heilig zu sprechen, wie die Zeitschrift "Ogonjok" berichtet.

Die Befürworter dieser Idee glaubten, damit auch einem geheimen Wunsch Gagarins nachzukommen. Sie beriefen sich dabei auf dessen offene Kritik an der Sprengung der Christi-Erlöserkirche in Moskau 1931 auf Befehl Stalins. Der Kosmonaut habe das vor dem Komsomol-ZK als "Barbarei" bezeichnet und den Wiederaufbau des Heiligtums gefordert, der dann auch unter dem jüngst verstorbenen Präsidenten Boris Jelzin (1931-2007) in Angriff genommen wurde. Marschall Georgi Shukow (1896-1974), der Chef der Roten Armee im Zweiten Weltkrieg, solle diese Ehre ebenfalls zuteil werden.

Bislang acht Muslime im All
Kirchliche Riten, wenn auch nur sehr zaghaft, hielten aber schon zu Sowjetzeiten in der Raumfahrt Einzug. So nahm Langzeitflug-Weltrekordhalter Waleri Poljakow, der 438 Tage am Stück in der Schwerelosigkeit arbeitete, geweihtes Wasser mit ins All und segnete damit die Besatzung und die Raumstation MIR. Der erste sowjetische Kosmonaut, der sich nach seinem Flug 1968 mehr oder minder offen zum Glauben bekannte, war Georgi Beregowoi (1921-1995). Ihm sind inzwischen viele der bisher 100 russischen Himmelsstürmer gefolgt.

Nach Angaben der Webside IslamOnline.net waren bislang acht Muslime im All, die Hälfte davon stammt aus den ehemaligen mittelasiatischen Sowjetrepubliken. Hinzu kommen ein Afghane, ein Syrer und die US-Weltraumtouristin iranischer Herkunft, Anousheh Ansari, die alle mit den Russen flogen, sowie ein saudischer Prinz, der mit den Amerikanern unterwegs war.

24 Stunden, 16 Mal um die Erde, 80 Mal beten
Der erste malaysische Astronaut Sheikh Muszaphar Shukor, der im Oktober mit einer "Sojus"-Kapsel zur Internationalen Raumstation ISS startet, setzt nun diese Reihe fort. Der promovierte Chirurg fliegt dabei mit einer Sondererlaubnis, da dann ausgerechnet Fastenzeit ist und er auch sonst in der Station seinen religiösen Pflichten kaum nachkommen kann.

Denn da die ISS in 24 Stunden 16 Mal die Erde umkreist, müsste er in dieser Zeit allein 80 Mal beten. Deshalb soll sich Sheikh Muszaphar Shukor wenigstens "den Möglichkeiten entsprechend" in der Station einrichten. Die Russen helfen ihm dabei, indem sie ihm einen kleinen astronomischen "Mekka-Wegweiser" zur Verfügung stellen.