Hoffen auf Durchbruch bei EU-Verfassung - Grüne fordern klare Worte zu EU-Beitritt der Türkei

Deutschland gratuliert Sarkozy

Die Bundesregierung setzt nach dem Sieg von Nicolas Sarkozy bei den französischen Präsidentschaftswahlen auf eine Belebung des EU-Verfassungsprozesses. Bundeskanzlerin Angela Merkel gratulierte Sarkozy am Montagmorgen telefonisch und zeigte sich zuversichtlich, dass der Konservative bereits kurz nach seiner für den 16. Mai geplanten Amtseinführung nach Deutschland kommen werde.

 (DR)

"Ein gut gewählter und legitimer Präsident"
In Paris feierten Zehntausende die ganze Nacht. "Es war ein großes Fest", beschreibt domradio-Korrespondent Klaus Huwe die Stimmung. Sarkozy habe sich in seinen ersten Ansprachen als Präsident aller Franzosen zu erkennen gegeben. "Er ist ein gut gewählter und legitimer Präsident."

Die hohe Wahlbeteiligung führt der Frankreich-Kenner auf Politiker zurück, die im Gegensatz zu früher "wieder glaubwürdiger erscheinen". Die Entscheidung zwischen Mann und Frau habe keine Rolle gespielt, glaubt Huwe. Die Programme seien entscheidend gewesen. Zehntausende Franzosen hätten die bei gutem Wetter die Nacht durch gefeiert. Es habe nur einige, kleine Ausschreitungen. "Das waren aber keine Anhänger Royals - nur anarchistische Krawallmacher."

Hören Sie auch im domradio-Interview Franz Josef Himbert, deutschsprachiger Pfarrer in Frankreich.

Merkel: Großartiger Wahlsieg
Die Kanzlerin sprach angesichts einer Zustimmung von 53 Prozent von einem "großartigen Wahlsieg". Sarkozy und sie wollten die deutsch-französische Zusammenarbeit weiterführen und intensivieren, unterstrich Merkel. Sie glaube, dass es eine "sehr gute Zusammenarbeit" mit Sarkozy geben werde.

Eines der Hauptthemen soll der EU-Verfassungsprozesses sein. 2005 war der Vertragsentwurf in Frankreich bei einer Volksabstimmung gescheitert. Sarkozy hatte im Vorfeld der Wahl deutlich gemacht, dass er sich für einen - wenngleich gekürzten - Verfassungsvertrag stark machen wolle. CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla sagte, mit der Wahl gebe es eine gute Grundlage, den europäischen Verfassungsvertrag in der Substanz zu erhalten.

Westerwelle: Die EU braucht Entschlossenheit
FDP-Chef Guido Westerwelle setzt nach der klaren Wahlentscheidung auf ein entschlossenes Handeln von Sarkozy. "Gerade jetzt nach dem Scheitern der Europäischen Verfassung in den Referenden und der Ausweitung der Europäischen Union brauchen wir Entschlossenheit, um die Reformen in Europa weiter voran zu treiben", betonte er in seinem Glückwunschschreiben. Dabei seien die deutsch-französischen Beziehungen "Anker und Motor der Europäischen Union".

Ähnlich äußerte sich der Vorsitzende der deutsch-französischen Parlamentariergruppe, der CDU-Abgeordnete Andreas Schockenhoff. Mit Sarkozy werde es eine "gute deutsch-französische Achse" sowohl in den nationalen Zielen als auch in der Europapolitik geben.

Selbst die Sozialisten im EU-Parlament, die sich vom Ausgang der französischen Präsidentenwahl enttäuscht zeigten, erwarteten keine Veränderungen des deutsch-französischen Verhältnisses. Zugleich nannte Fraktionschef Martin Schulz der Sieg des Konservativen Nicolas Sarkozy eine bittere Niederlage. "Wir hätten uns gewünscht, Ségolène Royal auch als das weibliche Gegengewicht zu Angela Merkel zu haben." Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) wertete das Ergebnis als einen "Erfolg für die Demokratie".

Roth: Sarkozy muss Vorbehalte gegen EU-Beitritt der Türkei aufzugeben
Grünen-Chefin Claudia Roth forderte Sarkozy auf, seine Vorbehalte gegen einen EU-Beitritt der Türkei aufzugeben. Der neue französische Präsident solle von "nationalen Tönen Abstand nehmen", sagte Roth. Der Vizepräsident der Europäischen Volkspartei (EVP), Peter Hintze (CDU), sagte dagegen, das Thema einer privilegierten Partnerschaft statt Vollmitgliedschaft werde "jetzt noch aktueller".

Das Auswärtige Amt sieht keinen "akuten Handlungsbedarf". Die Beitrittsverhandlungen mit Ankara würden noch Jahre dauern, hob Außenamtssprecher Jens Plötner hervor. "Der Tag, an dem wir vor der Situation sind, dass die Verhandlungen abgeschlossen sind und wir über einen Beitritt reden, der liegt noch deutlich in der Zukunft."

Sarkozy: Katholische Erziehung, katholischer Glauben
Sarkozy gehört der konservativen Regierungspartei UMP an. Er sagt von sich, er sei "katholischer Erziehung, katholischen Glaubens und katholischer Tradition".

Nach seiner Wahl wird sich Sarkozy für einige Tage in ein Kloster zurückziehen, bevor er mit den Antrittsreisen in befreundete Staaten beginnt. Schon nach seiner Kandidatenkür führte ihn seine erste Reise auf die Klosterinsel Mont-Saint-Michel.

Sarkozy, Sohn eines gegen Ende des Zweiten Weltkriegs ins Exil gezwungenen ungarischen Adligen, wurde allerdings auch mangelnde Distanz zur Scientology-Organisation nachgesagt. So empfing er etwa als Innenminister und bekennender Kino-Fan trotz Protesten den wegen seiner Scientology-Mitgliedschaft bekannten Schauspieler Tom Cruise.